oder „Impressionen aus der Hauptstadt vor der nächsten Wahl“

Die Jahreswende ist geschafft. Wir sind im Jahr 2023 angekommen und es sei allen Leserinnen und Lesern an dieser Stelle noch ein gutes, gesundes und erfolgreiches neues Jahr gewünscht!

Der Jahreswechsel war ja schon recht turbulent. Nun, das Positive vorweg: Es gab keine schweren Erdbeben wie am 26.12.2003 im Iran mit über 31.000 Toten oder dem Tsunami nach dem Seebeben am 26.12.2004 im Indischen Ozean, dem insgesamt mehr als 210.000 Menschen zum Opfer gefallen sein sollen, darunter auch 2.000 ausländische Touristen u.a. aus Deutschland, die dort ein sonniges und warmes Weihnachtsfest bzw. den Jahreswechsel erleben wollten.

Doch dafür starb kurz vor Jahreswende, am Silverstertag, der ehemalige Papst Benedikt XVI., Kardinal Joseph Ratzinger (1927-2022). Er wurde als (intellektueller) „Bewahrer“ des katholischen Glaubens gewürdigt. Doch kann man in ihm auch das Sinnbild eines verkrusteten Katholizismus erblicken, der nicht Willens und in der Lage war, dieser Glaubensrichtung eine moderne, zukunftsgewandte Perspektive zu bieten.

Und die Bundesverteidigungsministerin (der SPD), Christine Lambrecht, „profilierte“ sich gleich zu Beginn des neuen Jahres mit einer  verunglückten Video-Botschaft vor dem Hintergrund eines Silvester-Feuerwerks mit viel Geknalle und Geböller. Auch bei dem Autor dieser Zeilen hatte die Silvesternacht eine gewisse Assoziation mit dem Ukrainekrieg hervorgerufen. Doch sind dies zwei ganz unterschiedliche Wirklichkeiten, die außer dem Krach wirklich nichts miteinander zu tun haben. Vor einer solchen Kulisse seine Botschaft zu einem Krieg in Europa an deutsche Soldatinnen und Soldaten oder die interessierte deutsche Bevölkerung zu richten, kann man als „Geschmacksverirrung“ geißeln. Doch ob dies für Rücktrittsforderungen taugt, wie von CDU und CSU recht massiv angemahnt, sei an dieser Stelle dahin gestellt.

Einen treffenden (Nicht-) Kommentar gab dazu der ehemalige ukrainische Botschafter in Deutschland, Andrij Melnyk, ab. Er lebt mittlerweile wieder nahe seiner Hauptstadt Kiew und kümmert sich als stellvertretender Außenminister um die Beziehungen zu den USA und die Waffenlieferungen in sein Land. Von dem DLF-Moderator Thielko Grieß in einem Interview am 04.01.2023 auf seine Meinung zu diesem Vorgang angesprochen, antwortete er nur „Die Ukrainer haben im Augenblick andere Probleme“.

Danach erläuterte er, welche (Waffen-) Unterstützung die Ukraine von Deutschland erwartet. Und das war natürlich eine deutliche Botschaft an den bisher eher zurückhaltenden Bundeskanzler Olaf Scholz (und seine Verteidigungsministerin Christine Lambrecht) bzgl. Lieferung von Kampfpanzern an sein Land. Scholz drängte diesbezüglich stets auf eine „internationale Lösung“. Doch während es so vor sich hin „löste/döste“, schufen die USA und zuletzt auch Frankreich Fakten mit der Lieferung der avisierten Lieferung des Schützenpanzers vom Typ Bradley bzw. leichten Kampfpanzers AMX-10 RC

Deutschland wird nun wohl nachziehen müssen. Und vielleicht wird es dann ja dazu kommen, was an hiesiger Stelle bereits zu Ostern 2022 gemutmaßt wurde: Die Lieferung des Kampfpanzers Leopard an die Ukraine (siehe Blog „Osterruhe“. Wie es aussieht, wird der Krieg leider noch eine Zeitlang fortgesetzt werden und die Ampelkoalition wird sich weiterhin dazu positionieren müssen. Kluges Regierungshandeln der Ampel-Koalition ist gefragt. Gleichzeitig stehen weitere Herausforderungen im Jahr 2023 an. Und dabei handelt es sich um die Bewältigung der Wahlen im Jahr 2023. Sie werden vermutlich so manchen Spaltpilz für die Ampel-Koalitionäre bereit halten.

Als erstes ist die Wiederholungswahl des 19. Berliner Abgeordnetenhauses zu bewältigen. Sie soll am 12. Februar stattfinden, doch scheint das offenbar noch nicht ganz sicher zu sein. Zu den Gründen wurde an dieser Stelle bereits Stellung bezogen, siehe Blog „Still ruht der See … Und weiter wirkt die Wahl“. Ob die Nachwahl wirklich besser verlaufen wird, ist leider noch nicht ausgemacht, sind doch bereits die ersten gefälschten Briefwahlzettel aufgetaucht.

Dieses Wahlchaos schadet wohl zuallererst … der SPD und ihrer Spitzenkandidatin Franziska Giffey. Die hatte versprochen, dass die Neuwahl (unter ihrer Ägide) ohne Pannen ablaufen werde. Da wird womöglich so mancher Bezirksbürgermeister, der nicht der SPD angehört, eine Chance wittern, der guten Franziska eins auszuwischen. Ihre Rolle ist die schwierigste, sie kann eigentlich nur verlieren.

Für die Linke ist es im wahrsten Sinne eine  „Schicksals-Wahl“, droht sie doch in einer ihrer (wenigen) Hochburgen weiter abzusacken. Die CDU ist eher unauffällig plakatiert mit ihrem Spitzenkandidaten Kai Wegner. Dagegen sind die anderen Parteien Plakat-technisch in Berlin Mitte schon recht ordentlich unterwegs mit mehr oder weniger auffälligen und sinnhaften Wahlsprüchen (siehe Bilder). Die Hauptlast des Wahlkampfes tragen mal wieder … Die Straßenleuchten und diejenigen, die die Plakate daran befestigen müssen/dürfen. An der Höhe, in der die jeweiligen Plakate angebracht sind, meint man die Gefahr ablesen zu können, dass die Plakate von Vandalen wieder abgerissen oder verunstaltet werden.

Insgesamt kann man in Berlin Mitte im Umkreis von wenigen Hundert Meter die Spannungen zwischen den Parteien in Deutschland, aber auch die Spannungen in der Welt recht unmittelbar spüren. Das ist aktuell insbesondere vor der Russischen Botschaft Unter den Linden zu erfahren. Dagegen ist es in der Neuen Synagoge, dem Centrum Judaicum, in der Oranienburger Straße eher ruhig, auch wenn hier immer noch Absperr-Gitter Anwendung finden (siehe Bilder).

Für die FDP ist die Ausgangslage bei der Wahl nicht ganz einfach, denn es gilt, den negativen Trend der letzten Wahlen in 2022 umzukehren. Aktuell bekommt man den Eindruck, dass die FDP zum „Müllabladeplatz“ der Ampel-Koalition geworden ist. Mit welchen Missbilligungen und Angriffen die Partei zu kämpfen hat, kann man physisch an der Berliner Parteizentrale, dem Hans-Dietrich-Genscher-Haus in der Reinhardt-Straße, erleben. Sie wurde offenbar zum Opfer einer Farbbeutel-Attacke (siehe Bilder).

Eher belustigend sind die Verkehrsschilder, die man vor dem Haus entdeckt. Denn die Zentrale liegt nicht nur an der Reinhardtstraße, sondern auch „Am Zirkus“. Zumindest führt diese kleine Straße, die vom Berthold-Brecht-Platz/der Spree zur Reinhardtstraße zieht, direkt auf die Parteizentrale zu.

Nun, auch andere Farbimpressionen lassen sich als FDP-kritisch deuten. So fallen am Berthold-Brecht-Platz die gelb gemalten Sitzbänke ins Auge, wie auch die orangefarbenen Plastikmülleimer. Droht der FDP etwas die Entsorgung in die (partei-) politische Mülltonne? Die Bemalung eines „Hopp-on, Hopp-off“-Buses mit den Parteifarben der FDP kann man ebenfalls als politische Bekundung deuten.

Gefahrenquellen für die FDP sind bei der Wahl nicht nur die bisherigen Parteien im Abgeordnetenhaus, i.e. die SPD, Grüne, CDU, Linke, AfD. Zusätzlich gibt es mittlerweile im liberalen Parteienspektrum eine Konkurrentin, die VOLT-Partei. Sie hat sich gut sichtbar mit ihren Wahlplakaten direkt vor dem Hans-Dietrich-Genscher-Haus postiert. Doch ob es dieser Partei tatsächlich gelingt, so viel Spannung zu erzeugen, wie es ihr Name entspricht, bleibt abzuwarten.

Mit ihrem Spitzenkandidaten Sebastian Czaja hat die Berliner FDP zumindest einen erfahren Wahlkämpfer an ihrer Spitze, der trotz seines jungen Alters ein erfahrener und gut etablierter Politiker ist. Er hatte die Partei bereits im letzten Wahlkampf geführt und im Endergebnis der Berliner-Abgeordnetenhaus-Wahl 2021 respektable 7,1 % der Stimmen erreicht. Das Wahlprogramm der Berliner FDP findet sich hier.

Ihm wird wohl auch von der Parteispitze jede Unterstützung zuteil kommen. Plakattechnisch sind die FDP und ihr Spitzenkandidat im Zentrum der Hauptstadt bereits gut plakatiert. (Dabei ist man allenfalls über die Positionierung des Plakates von Sebastian Czaja über dem Schild einer 30 km/h-Zone etwas irritiert, verbindet man mit der FDP nicht gerade Tempo-Limits auf deutschen Straßen).

Es sei Sebastian Czaja und seinem Team von Weimar aus viel Erfolg gewünscht bei seinem Wahlkampf und der Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus. Es wird spannend werden.

Die weiteren Wahltermine in diesem Jahr sind folgende:
14. Mai 2023: Wahl der Bürgerschaft in Bremen und Kommunalwahlen in Schleswig-Holstein
8. Oktober 2023: Landtagswahl in Bayern
Herbst 2023: Landtagswahl in Hessen