Die Episode von Christine Lambrecht im Bundesverteidigungsministerium ist beendet, auch an hiesiger Stelle wurde über die Vorgeschichte berichtet (siehe Blog „Auf ein Neues„). Nun übernimmt der langjährige Innenminister der Landes Niedersachen das Amt. Und dieser sagte gleich bei seiner ersten Stellungnahme, die er gestern gegenüber der Presse alleine abgab Bemerkenswertes (Bundeskanzler Olaf Scholz meldete sich erst eine Minute später zu Wort):

„… Das Verteidigungsministerium ist schon in zivilen, in Friedenszeiten eine große Herausforderung, und in Zeiten, in denen man als Bundesrepublik Deutschland an einem Krieg beteiligt ist, indirekt, noch einmal besonders. … “

Das waren recht klare Worte, die man sich erst einmal auf der Zunge zergehen lassen muss. Denn mit diesem Satz sagt Pistorius gleich zu Beginn potentiell Bedeutendes: „Deutschland befindet sich im Krieg“. (Zumindest ist es daran beteiligt.) Und das kann nur bedeuten „im Krieg mit der Russischen Föderation unter seinem Staatspräsidenten Waldimir Putin.“

Man sollte in diesem Kontext daran erinnern, dass Putin´s Russland in Deutschland schon den einen oder anderen Kritiker hatte umbringen lassen. Erinnert sei an den Mord im Tiergarten. Und auch eine andere Person, die für eine demokratische Entwicklung Russlands von großer Bedeutung ist, und der Deutschland Schutz und Hilfe gewährt hatte, wurde gleich nach seiner Rückkehr nach Russland inhaftiert, in einem Scheinprozess zu Gefängnishaft verurteilt und sitzt seit nunmehr 2 Jahren hinter Gittern. Die Rede ist natürlich von Alexei Nawalny (siehe auch Blog „Herren der Ringe„).

In den Medien wird in den letzten Monaten über eine ungewöhnliche Todesserie russischer Persönlichkeiten berichtet, die nach dem Beginn des Krieges in der Ukraine einsetzte.  Man muss es offen benennen. Wladimir Putin tötet, verletzt und inhaftiert Menschen, die ihm gefährlich werden können, er führt Kriege, um an der Macht zu bleiben, tritt  Persönlichkeitsrechte mit den Füßen, manipuliert das Rechtssystem und ist insofern im Krieg gegen den demokratischen Rechtsstaat, wie er in Deutschland und anderen Ländern Europas praktiziert wird. Russland unter Putin befindet sich im Krieg gegen die Demokratien westlicher Coleur. Doch wird das von ihm natürlich so nicht gesagt. Der Krieg in der Ukraine, dem bereits mehrere 10.000 Menschen zum Opfer gefallen sind, ist nach seiner Wortwahl nur eine „(legitime) militärische Spezialoperation“.

Wladimir Putin spielt ein falsches Spiel und das ziemlich gut. Insofern stellt sich die Frage, wie man am besten auf das Verhalten von Putin und Russland reagiert. Dabei ist es aus hiesiger Sicht besser, keinen Krieg auszurufen oder eine Rhetorik zu pflegen, die so etwas nahe legen könnte. Das bedeutet aber nicht, dass man sich bzgl. der Unterstützung der Ukraine nicht klar positioniert und dem Land alle Hilfe zukommen lässt, die es benötigt, auch militärisch.

Deutschland und Europa dürfen sich das russische Vorgehen nicht gefallen lassen. Die Briten, in deren Land Wladimir Putin schon mehr Menschen hat beseitigen lassen als hierzulande, sind in ihrer Haltung im Vergleich zu Deutschland sehr viel eindeutiger. Auch die US-Amerikaner stehen ohne wenn und aber zu den Ukraine. Nur der ehemalige „Stamokap“ Scholz ist offenbar noch nicht bereit, ganz von seinen (jugendlichen) sozialistischen Überzeugungen abzurücken und sich eindeutiger gegenüber Russland und Wladimir Putin zu positionieren. Es mag dafür Gründe geben. Doch müssen er und Deutschland mittlerweile aufpassen, dass sie sich mit dieser Haltung nicht in Europa und der westlichen Welt isolieren.

Es wird interessant werden zu sehen, was Boris Pistorius mit dieser Aussage meinte. Womöglich ist sie ihm nur rausgerutscht bei der Beschreibung der Aufgabe, der er sich nun stellen muss/darf. Doch wenn das nur ein „sprachlicher Ausrutscher“ gewesen sein sollte, kann man diesen als Hinweis werten, dass er als „Politikprofi aus der Provinz“ womöglich noch nicht das notwendige Gespür für die spitzen Ohren und die seismographischen Detektoren in der Bundeshauptstadt Berlin besitzt. Hier wird jedes Wort, jedes Geste, jede Unbedachtsamkeit wahrgenommen und in der journalistischen und politischen Debatte ausgeschlachtet.

Die Bundeswehr und das Verteidigungsministerium brauchen eine kompetente, verlässliche und stabile Führungskraft. Das ist Boris Pistorius zweifellos. Doch in der Politik gehört ebenso die bedachte und wohl dosierte rhetorische Kommunikation dazu. Und das ist eine Kompetenz, an der schon so manche Politiker (vor ihm) gescheitert sind.

Für die Erledigung seiner schweren Aufgabe sei ihm daher von Weimar aus gewünscht: „Ein glückliche Hand und und eine besonnene Sprache“.

Bildquelle:

Boris Pistorius, Urheber: Daniel Biskup, Link und Lizenz siehe hier.