Die Fußball-Weltmeisterschaft in Qatar neigt sich dem Ende entgegen. Es ist insofern an der Zeit, eine Bilanz zu ziehen. Sie sei mit dem obigen Titel verknüpft sei, der natürlich eine Anspielung enthält auf die (zu Recht nicht mehr gesungene) Strophe des Deutschlandliedes („Deutschland, Deutschland über alles, über alles in der Welt ….“). Sie sei in diesem Zusammenhang erlaubt, denn Deutschland gehört mit Sicherheit nicht zu den Gewinnern dieser WM. Vielmehr muss man das Agieren der deutschen Politik und mit ihr der deutschen Nationalmannschaft als „wenig souverän“ um nicht zu sagen „ziemlich dilettantisch“ einstufen: Das große Deutschland war dem kleinen Wüsten-Emirat mit seinen gerade mal 2,7 Millionen Einwohnern klar unterlegen.

Die Qatarer haben es geschafft, in ihrem kleinen Land eine beeindruckende WM auf die Beine zu stellen. Alle Spiele fanden in einem engen Umkreis statt, was Gelegenheit bot zu einem intensiven Austausch zwischen den Teams und ihren Fans. Die WM war damit ein Gegenentwurf zu Weltmeisterschaften, die auf mehrere Nationen aufgeteilt wurden und bei denen eine solch unmittelbare Begegnung und Austausch nicht möglich sind.

Der Fußball-Nationalmannschaft selbst und ihrem Trainer Hansi Flick kann man den Vorwurf machen, dass sie für das Fortkommen notwendigen Tore nicht geschossen haben, doch unansehnlich gespielt hatten sie eigentlich nicht. Es fehlte vor allem Zielwasser, etwas Biss und das notwendige Glück. Letzteres kam der deutschen Nationalmannschaft bei vorherigen Weltmeisterschaften häufig recht großzügig zugute, was gerne mit dem Label „Wir sind eine Turnier-Mannschaft“ assoziiert wurde. Und da war früher ja durchaus etwas dran. Man kann nur mutmaßen, wie weit die Deutschen im Turnier noch gekommen wären, hätten sie die Vorrunde überstanden. Ihre beiden Hauptkontrahenten in der Gruppenphase, Japan und Spanien, sind zumindest auch nicht viel weiter gekommen.

Exemplarisch für das „Künstlerpech“ steht Thomas Müller (Jg. 1989). Er war schon einmal Torschützenkönig bei einer WM (2010) und bereits Weltmeister (2014). Bei dieser WM war er zweifellos der inoffizielle Führungsspieler, zumindest der erste Werbeträger dieser Mannschaft. Doch diesmal gelang ihm kein einziger Treffer, dafür verabschiedete er sich nach dem letzten Spiel gegen Costa Rica wortreich von der Fußball-Weltbühne.

Er steht quasi sinnbildlich für das Problem dieser Mannschaft, von der man das Gefühl hatte, dass sie sich nicht auf ihre wesentliche Aufgabe konzentrieren wollte bzw. konnte. Und diese Aufgabe heißt schlicht und einfach: „Tore schießen und selbst keine einzufangen“. Daran haperte es. Und die Schuld lag aus hiesiger Sicht nicht allein an den Spielern, sondern auch dem Umfeld, das „die Mannschaft“ zu so mancherlei Schnickschnack veranlasste und sie für Dinge instrumentalisierte, die sie letztlich von ihrer wesentlichen Aufgabe abgelenkt hatte.

Die Geschichte mit der One-Love-Binde und das Gruppen-Foto mit dem zugehaltenen Mund gehörte dazu (siehe vorheriger Blog). Das war letztlich unnötig und hat sich im Nachhinein als ziemliche Blamage entpuppt. Aus hiesiger Sicht wäre die Bundesinnenministerin besser nicht nach Qatar zum Spiel Deutschland gegen Japan gefahren. Denn nun blieben die Bilder von ihr (mit One-Love-Armbinde neben Gianni Infantino) und der Niederlage der deutschen Nationalmannschaft im Gedächtnis. Das war reine Symbolpolitik, der das Schicksal seinen eindeutigen Stempel aufgedrückt hat. Als Politiker sollte man sich eigentlich mit Inhalten und Ergebnissen profilieren, aber nicht mit so einem Firlefanz.

Auch der Solo-Auftritt von Hansi Flick bei einer Pressekonferenz war letztlich verunglückt. Doch das lag offenbar an der Selbstisolation der Mannschaft in einem entlegenen Hotel von Katar. Die Nationalmannschaft hatte  den oben skizzierten besonderen Reiz dieser WM, den der kurzen Wege und der intensiven Kommunikation mit anderen Menschen (dazu gehören auch Pressevertreter) vor dieser WM falsch eingeschätzt.

Nun, der dafür Verantwortliche, Teammanager Oliver Bierhoff, hat mittlerweile dafür die Verantwortung übernommen und seinen Rücktritt erklärt. Statt seiner soll jetzt eine „Altherren-Mannschaft“, ein Beraterkreis mit Rudi Völler, Karl-Heinz Rummenigge, Oliver Kahn, Matthias Sammer und Oliver Mintzlaff, dem Deutschen Fußball-Bund (DFB den Weg weisen. Doch dient dieses Beratergremium wohl eher als ein „Blitzableiter“ für den DFB und dessen „Obergruppen-Spielleiter“, dem erst im Jahr 2021 aus der Politik ins Amt gehievten Quereinsteiger, DFB-Präsident Bernd Neuendorf (Jg. 1961). Er lag mit seiner (anfänglichen) Positionierung zur One-Love-Binde ebenfalls ziemlich daneben. Vermutlich wollte er damit seiner Parteigenossin Nancy Faeser (SPD) einen Gefallen tun, doch hat er dem DFB und sich selbst damit einen Bärendienst erwiesen.

„Political correctness“ treibt und trieb im DFB so manche Blüte. Über sie war sein Vorgänger im Amt, Fritz Keller, gestolpert, als er einen Nazi-Vergleich bemühte in der Auseinandersetzung mit seinen Konkurrenten innerhalb des DFB. Nun symbolisiert die „One-Love-Binde“ das Scheitern von (Fußball-) Deutschland. Man kann nur hoffen, dass nun wieder Professionalität beim DFB Einzug hält. Doch bei ca.  80 Millionen Deutschen und fast ebenso vielen Fußballexperten sowie einer umfassenden Fußball-„Journaille“ wird das ein schwieriges Unterfangen.

Doch soll es in diesem Blog ja eigentlich um Qatar (und die arabisch-afrikanische Welt) gehen. Diese hat in jedem Fall bei dieser WM gewonnen. Mit Marokko ist das erste Mal eine Fußballnation aus dem afrikanischen Kontinent in das Halbfinale einer Fußball-WM eingezogen und hat die Chance den 3. Platz zu erringen. Wenn man sich die vorherrschende Hautfarbe in den anderen Mannschaften ansieht, erkennt man, dass es Spieler (mit Wurzeln) des afrikanischen Kontinents schon weit gebracht haben in diesem Sport. So verfügen sowohl die französische, englische und deutsche Nationalmannschaft über Leistungsträger mit dunkler Hautfarbe. Und es kann gut sein, dass ein schwarzer Spieler im Finale zwischen Frankreich und Argentinien den entscheidenden Unterschied macht und der Equipe tricolore den WM-Titel sichert.

Qatars Mannschaft hat die Vorrunde zwar nicht überstanden. Das ist bei einer Bevölkerung von nur 2,7 Millionen Menschen ist das auch kein Wunder. Doch steht bereits jetzt fest, dass Qatar an dem WM-Titel beteiligt sein wird. Denn sowohl der französische Topspieler Kylian Mbappé (Jg. 1998) als auch sein argentinischer Kontrahent Lionel Messi (Jg. 1987) stehen beide bei dem Verein Paris Saint Germain (PSG) unter Vertrag, dessen Eigentümer Qatar Sports Investments , also das Wüstenemirat Qatar ist. (Schaut man sich das Alter der beiden Haupt-Fußball-Protagonisten dieser WM an, ist absehbar, wem die Zukunft gehört.)

Das kleine Land Qatar wird ebenso genannt in dem EU-Korruptionsskandal, der während der Fußball-WM aufgeflogen ist.  Die mutmaßliche Bestechungsaffäre um die (sozialistische) griechische Politikerin Eva Kaili sorgt für einen Aufschrei in Politik und Gesellschaft. Und so etwas darf natürlich nicht sein. Doch zeigt es auch, wie geschickt und strategisch das kleine Land vorgeht, um sich international bekannt zu machen. Das Vorgehen Qatars soll hier nicht moralisch bewertet werden. Doch aus einem „politischen Blickwinkel“ betrachtet,  muss man koinzidieren, dass das kleine Wüstenemirat sehr viel mehr Raffinesse gezeigt hat als manche deutsche Politikerinnen und Politiker.

Chapeau Qatar (und dem afrikanischen Kontinent) zu dieser Fußball-Weltmeisterschaft.

PS: Qatar gehört geographisch in Vorderasien,  also formal zu dem asiatischem Kontinent. (Doch das ist eine andere Geschichte).

Bildquelle: Wikipedia, siehe
Emblem Quatar: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Emblem_of_Qatar_(2022).svg
Karte Quatar: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Qatar_rel95.jpg
DFB-Logo: Von Strichpunkt Agentur für visuelle Kommunikation GmbH – Deutscher Fußball-Bund, Logo, https://de.wikipedia.org/w/index.php?curid=11224725
Bernd Neuendorf: Urheber Raimond Spekking, Quelle: siehe folgender Link, Lizenz siehe dieser Link
Nancy Faeser: By Olaf Kosinsky – Own work, CC BY-SA 3.0 de, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=112844680
Karlheinz Rummenigge: Von Foto:Harald Bischoff, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=27213094
Rudi Völler: Von Fuguito – Eigenes Werk, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=34653600
Oliver Kahn: Von Steffen Prößdorf, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=121296292
Thomas Müller: By Rufus46 – Own work, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=71209527
Matthias Sammer: Von Foto:Harald Bischoff, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=27213151
Oliver Mintzlaff: Von Steffen Prößdorf, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=121296325
Oiver Bierhoff: Von Steffen Prößdorf, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=74786796
Kylian Mbappé: Von Антон Зайцев – https://www.soccer.ru/galery/1058178/photo/736921, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=70893586
Lionel Messi: By Tasnim News Agency, CC BY 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=126240194
PSG emblem: By UEFA Technical Report 2017/18, Fair use, https://en.wikipedia.org/w/index.php?curid=55124716