Und weiter wirkt die Wahl.

Angesichts der Verwerfungen bei der Partei „Die Linke“ sei an ein anderes „Problemchen“ der Bundespolitik erinnert: Die Legitimität der letzten Bundestagswahl.

Denn diese wurde hundertfach angefochten, unter anderem erfolgte eine Wahlanfechtung von dem Bundeswahlleiter höchstpersönlich, Dr. jur. Georg Thiel (Jg. 1957), aufgrund der Vorgänge am Tag der Bundestagswahl (und des Marathons) in Berlin.

Doch das scheint mittlerweile in dem frisch gewählten Bundesparlament niemanden zu interessieren. Zumindest hört man diesbezüglich nichts aus der Bundeshauptstadt. Denn zunächst ist der neu gewählte Bundestag selbst und verfahrenstechnisch primär die Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (Jg. 1968) für die Klärung der Wahlanfechtungen zuständig, bevor sich das Bundesverfassungsgericht einschaltet bzw. dieses angerufen werden kann.

Bei den Parlamentariern und den Parteien gilt offenbar: „Mann und Frau sind gewählt“ und so schnell möchte man die Legitimität der eigenen Wahl oder die seines Parlamentsnachbarn oder -nachbarin nicht in Frage stellen. Ob da Wahlbetrug bei dem Erringen dieses Bundestagsmandates mit im Spiel war oder nicht, interessiert offenbar keinen mehr. Man hat nun wichtigeres zu tun, wie etwa der Krieg in der Ukraine, die Bewältigung der Corona-Pandemie und der Klimakrise etc. pp.

Gleichwohl ist es aus hiesiger Sicht schon erstaunlich, mit welchem (fehlendem) Aufarbeitungsdrang sich die Bundestagsverwaltung und die Abgeordneten diesem Problemchen annehmen. Und auch für die Presse scheint dieses Thema unerheblich und uninteressant zu sein.

Doch so einfach sollte es sich die Politik aus hiesiger Sicht nicht machen. Denn an den Vorgängen im Saarland kann man erkennen, wie viral das Problem von Wahlmanipulationen und Betrugsvorwürfen werden kann. Denn es sei daran erinnert, dass dem aktuellen Niedergang der Linken ein parteiinterner Machtkampf dieser Partei im Saarland voraus gegangen war, bei dem sich die Fraktion um Oskar Lafontaine (Jg. 1943) und der Noch-Landesvorsitzende der Linken im Saarland, Thomas Lutze (Jg. 1969) auf das Heftigste bekämpft hatten. Dabei wurde Thomas Lutze von Lafontaine und seinen Gefolgsleuten offenbar Betrug und Wahlmanipulation vorgeworden. Die Landeswahlleiterin des Saarlandes lies die Landesliste zur Bundestagswahl mit Thomas Lutze an der Spitze 2017 nur mit starken Zweifeln zu.

Gegen ihn wurden von der ehemaligen Landesvorsitzenden Astrid Schramm (Jg. 1954) Betrugsvorwürfe erhoben, die jedoch einer Überprüfung durch die Staatsanwaltschaft nicht standhielten. Der Hauptbelastungszeuge und Schramm selbst wurden daraufhin durch eine parteiinterne Schiedskommission aus der Partei ausgeschlossen. Im Jahr 2021 hatte der Bundesvorstand der Linken dem Finanzgebaren des Landesverbandes, dessen Schatzmeister Lutze von 2013-2017 war, sein Placet gegeben. Nach der gescheiterten Saarland-Wahl im März 2022 hatte Lutze seinen Rückzug als Landesvorsitzender angekündigt, diesen bisher aber noch nicht vollzogen. Er sieht sich als Opfer einer Strategie, seinen Namen und die Partei so weit zu ruinieren, dass es für ein Bundestagsmandat nicht mehr reicht.

(Es sei angemerkt, dass auch der hiesige FDP-Landesvorsitzende Thomas Kemmerich schnell in eine „Opferrolle“ geschlüpft ist nach seiner erfolgreichen, aber letztlich gescheiterten Wahl zum thüringischen Ministerpräsidenten.)

Lutze hat es als Gegner mit einen sehr erfolgreichen (ehemaligen) Politiker zu tun. Denn Oskar Lafontaine war immerhin viele Jahre lang Ministerpräsident seines Landes, wurde in dieser Funktion mehrfach wiedergewählt, stiegt dann zum SPD-Vorsitzender und Bundesfinanzminister auf, bis er in dem internen Machtkampf gegen Gerhard Schröder (Jg. 1944) unterlag und mit „Krawumm“ aus der SPD austrat.

Schröder hat mittlerweile seinen Nimbus in der SPD weitestgehend aufgebraucht. Den Vorwurf einer Selbstbereicherung und des „Klebens an Posten“ kann man Lafontaine zumindest nicht machen. Dagegen kann man dem Zitat von Thomas Lutze, man wolle, „dass es für ein Bundestagsmandat (für ihn) nicht mehr reicht“ entnehmen, worauf sein primäres Augenmerk gerichtet ist: Dem des Erhalts seiner Pfründe und Macht. Politisch scheint er dagegen eine ziemliche „Nullität“ zu sein. Zumindest hat der Autor noch keine nennenswerte politische Äußerung von dem Mann vernommen, der immerhin seit vielen Jahren Bundestagsabgeordneter und Landesvorsitzender seiner Partei ist. Dagegen sind Oskar Lafontaine und Sahra Wagenknecht (Jg. 1969) in der Lage, deutlich pointierter ihre politischen Äußerungen zu platzieren.

Auch wenn man Oskar Lafontaine nicht mag, muss man ihm zugestehen, dass er ein politisches Schwergewicht in der Bundesrepublik Deutschland war (und auch ohne Partei und Amt immer noch ist). Es hatte Klasse, wie er in einem Finale furioso seinem politischen Rivalen Thomas Lutze den Boden unter den Füßen weggezogen hat. Man mag dieses Vorgehen in seiner (ehemaligen) Partei aufgrund der Kollateralschäden bedauern, aber so erzwingt er nun eine Auseinandersetzung um Personen und Posten sowie eine Positionierung des Parteivorstandes. Dieser hatte dem Rechtsbruch im Landesverband viel zu lange tatenlos zugesehen. Insofern trägt die Bundespartei eine erhebliche Mitverantwortung an der Eskalation der Verwerfungen und dem desaströsen Abschneiden der Linken im Saarland und der Bundestagswahl, sie sieht es zumindest die sicher gut informierte TAZ.

„Oskar“ wird das Treiben im Saarland und dem Bund nun im Stillen mit einem lachenden Auge mitverfolgen und sich bei passender Gelegenheit vermutlich als „elder statesman“ wieder zu Wort melden. Denn so schnell dürfte die Fontäne nicht versiegen. Dafür ist Oskar Lafontaine viel zu sehr ein „homo politicus„.

Doch nicht nur bei den Linken im Saarland hatte es bei der Bundestagswahl Unstimmigkeiten bei der Aufstellung der Landesliste gegeben. Auch die Grünen hatten damit zu kämpfen. Schlussendlich führte dies dazu, dass es keine Landesliste gab und kein einziger Abgeordneter der Grünen aus dem Saarland im neugewählten Bundestag sitzt. Hier gab es bereits vor der Wahl eine Positionierung des Landes- und Bundesverbands, die schon vor der Bundestagswahl zu Konsequenzen geführt hatte. Dessen langjähriger Landes- und Fraktionsvorsitzender und machtvoller Strippenzieher Hubert Ulrich (Jg. 1957) gelang es dadurch nicht, über den Spitzenplatz seiner Partei in den Bundestag einzuziehen, auf den er sich mit allerlei Tricks unter Demontage der damaligen Landesvorsitzenden Tina Schöpfer (Jg. 1975) gehievt hatte. Stattdessen hat er jetzt ein Parteiordnungsverfahren an der „Backe“, das der saarländische Grünen-Ortsverband Bous gegen ihn eingeleitet hat.

Die Wahl-Gepflogenheiten bei der Kandidatenaufstellung haben auch in anderen Parteien und Landesverbänden zu Wahlanfechtungen geführt, die nun über den oben skizzierten Weg des Bundestages und des Bundesverfassungsgerichtes geklärt werden müssen. Es wäre schön, wenn diese Institutionen sich der Thematik auch tatsächlich annehmen würden und die Verfahren nicht unnötig in die Länge ziehen oder gar im Sande verlaufen ließen. (Es sei angemerkt, dass bei Anfechtungen von Bundestagswahlen im Gegensatz zu anderen Verwaltungsverfahren offenbar keine 3-Monatsfrist gilt, innerhalb deren auf Beschwerden reagiert werden muss.)

Wahl-Manipulationen, Betrügereien und Beanstandungen scheinen mittlerweile ein Ausmaß erreicht zu haben, das geeignet ist das Vertrauen in einen wesentlichen Grundpfeiler unseres demokratischen Rechtsstaates zu erschüttern, nämlich die Durchführung freier, demokratischer und satzungsgemäßer Wahlen. Wenn sogar die Wahlanfechtung des Bundeswahlleiters selbst keine Konsequenzen zeitigt, fragt man sich, ob in unserem Land alles noch mit rechten Dingen zugeht.

In dem Kontext sei angemerkt, dass es aus Sicht des Autors ein Unding ist, dass ein Politiker, der wegen einer unzulässigen Wahl rechtskräftig verurteilt wurde, als Landesvorsitzender weiterhin die Geschicke seiner Partei bestimmt. Um wen es sich dabei handelt, sollten jedem bekannt sein, der regelmäßig die Blogs auf dieser Seite liest. Er war und ist der „Spitzenkandidat“ der FDP Thüringen. Vielleicht ist dies ja auch ein Thema auf dem an diesem Wochenende stattfindenden Bundesparteitag der FDP. Denn wie das Beispiel der Linken im Saarland zeigt, besteht das Potential, dass solche Probleme irgendwann auf Bundesebene virulent werden.