Am letzten Donnerstag hatte das FDP-Urgestein Wolfang Kubicki (Jg. 1952) seinen 70. Geburtstag  Über dieses Ereignis wurde vor allem in Schleswig-Holstein, seinem nördlichen Heimatland berichtet (siehe Bilder eines Zeitungsartikels im Flensburger Tageblatt) . Doch soll es auch aus Thüringen Sicht nicht unerwähnt und ungewürdigt bleiben, hat Wolfgang Kubicki doch stets enge Beziehungen zu dem Thüringer FDP-Landesverband gepflegt.

Geboren in Braunschweig, der Stadt von Heinrich dem Löwen (geb. um 1129/30 oder 1133/35, gest. 1195),  wechselte er mit der Aufnahme des Studiums der Volkswirtschaft und Jurisprudenz seinen Lebensschwerpunkt nach Kiel bzw. Schleswig-Holstein. Bereits im zarten Alter von 19 Jahren wurde er 1971 als VWL-Student in Kiel Mitglied der FDP und sollte bald darauf die Geschicke des Landesverbandes  maßgeblich beeinflussen. Sein Karrierestufen liefen über den stellvertretenden Bundesvorsitz des liberalen Hochschulverbandes (1972/73), den Landesvorsitz der Jungdemokraten in Schleswig-Holstein (1975/76), der Mitgliedschaft im Landesvorstand bis zum Landesvorsitz im September 1989. Mit der Unterbrechung von 1993-1997, als er wegen der Affäre um die sogenannten Schönberg-Deponie von seinem Amt zurücktrat, führt er nun schon bald 30 Jahre lang den FDP-Landesverband Schleswig-Holstein. Dabei ist es ihm gelungen, das „liberale Schiff“ im Norden durch so manchen Sturm zu steuern und so manche Wahlniederlage und manche lebensbedrohliche Rückschläge, die seine Parteigenossen und -genossinnen im Bund und anderen Ländern erleiden mussten, zu vermeiden.

Ein frühe Prägung hat er vermutlich durch den Bundesparteitag der Liberalen in Kiel im Jahr 1977 erfahren. Damals wurde das Freiburger Programm durch das Kieler Programm abgelöst, die FDP gab sich damals einen deutlich wirtschaftsliberal geprägten Kurs und gab so manche sozialliberale Position auf, die andere Vordenker der Partei, genannt sei hier beispielhaft Prof. Ralf Dahrendorf (1929-2009), ihr gegeben hatte. Auch dem Umweltschutz wurde im Kieler Programm abgeschworen, was letztlich den Grünen den Aufstieg zu einer mittlerweile etablierten Partei im Bund und Land ermöglichte. Wolfgang Kubicki mag nicht ganz unschuldig an dieser Entwicklung gewesen sein, lag ihm als diplomiertem Volkswirt und Rechtsanwalt die Wirtschaft (zumindest damals) sicher mehr am Herzen als Natur und Umweltschutz.

Doch Wolfgang Kubicki ist zweifellos intellektuell flexibel und vermochte es dann viele Jahre später, seine Partei im Norden in eine erfolgreiche Jamaica-Koalition mit CDU und den Grünen zu führen. Und letztlich wurde diese Modell mittlerweile in Form der Ampel-Koalition auf den Bund übertragen. Nur ist hier nicht die CDU der „Leithengst“, sondern die SPD. Doch mit Robert Habeck (Jg. 1969) als Wirtschaftsminister ist ein alter Weggefährte aus Kieler Tagen an entscheidender Stelle mit dabei.

Vor einem solch langen, erfolgreichen politischen Leben, wie es Wolfgang Kubicki schon vorzuweisen hat, muss man einfach den Hut ziehen und ihn dazu beglückwünschen. Er sah Bundesvorsitzende seiner Partei kommen und gehen. Ein ehemaliger guter Freund, Jürgen Möllemann (1945-2003), erlebte im wahrsten Sinne des Wortes einen erschütternden persönlichen und politischen Absturz. Ein anderer langjähriger Weggefährte, Guido Westerwelle  (1961-2016), durchlitt erst sein politisches Waterloo bevor ihm seine Gesundheit den Todesstoß versetzte. Daneben blieb noch manch anderer jüngerer FDP-Politiker wie Philipp Rösler (Jg. 1973) oder Daniel Bahr (Jg. 1975) am Wegesrand liegen. Nur Wolfgang Kubicki stand fest bei Wind und Wetter, hielt die liberale Fahne hoch, und verhinderte durch seine guten Wahlergebnisse in Schleswig-Holstein, dass seine Partei in der politischen Bedeutungslosigkeit verschwand. Seit 2013 hält er mittlerweile Christian Lindner (Jg. 1979) als stellvertretender Bundesvorsitzender den Rücken frei.

Man mag sich fragen, wie man so etwas schafft. Bei Kubicki lag es wohl daran, dass er sich nie notgedrungen in die aller vorderste Reihe der handelnden Politik gedrängt hat. Man muss bedenken, dass er nie als Landes- oder Bundesminister politische Verantwortung übernommen hat, obwohl er sicher die Gelegenheit dazu gehabt hätte. Vielmehr übernahm er auf dem Posten eines Fraktionsvorsitzenden im Kieler Landtag oder seit nunmehr 4 1/2  Jahren als Bundestags-Vizepräsident eher „protokollarische Ämter“.  Er ist eine Art „Zirkusdirektor“, der auch anderen Artisten den Status eines „Star in der Manege“ überlassen kann. In jedem Fall zieht es ihn nicht auf das „Hochseil“, wo man auch einmal abstürzen kann. Dazu lebt der Mann viel zu gerne, auch weiß das Leben zu genießen.

Zu Gute halten muss man ihm zudem, dass er zu jener, seltener werdenden Politikerspezies zählt, die sich durch eine fundierte Ausbildung und der erfolgreichen Ausübung eines Berufes außerhalb der Politik ein hohes Maß an persönlicher Unabhängigkeit bewahrt hat. (Wenn man böse formulieren möchte, könnte man unterstellen, dass sein Verzicht auf das Amt eines Ministers in Schleswig-Holstein dadurch bedingt wahr, dass er als Fraktionsvorsitzender seinem lukrativen Nebenjob als Rechtsanwalt behalten konnte. Auch mag man ihm vorwerfen, dass er erst dann in die Bundespolitik auf einen gut dotierten Posten wechselte, als er fast schon das Rentenalter erreicht hatte.)

Doch sollen hier primär die Verdienste dieses Mannes gewürdigt werden. Und dazu gehört, dass Wolfgang Kubicki nie langweilig ist. Er weiß seine Meinung stets pointiert, mit Witz und Hintersinn zu platzieren. Zudem ist er dabei immer unterhaltsam, was wohl der Grund dafür ist, dass er in Talkshows ein gefragter und willkommener Gast ist. Wolfgang Kubicki ist ein „Jumbo“ der FDP, der mit seiner Wortgewalt so manch anderen Politiker niederwalzen kann.  In Kiel und Schleswig-Holstein hat er mittlerweile Kultstatus erreicht ähnlich wie Wolfgang Amadeus Mozart („Wolferl“) in Salzburg.

Der Autor gratuliert Wolfgang Kubicki herzlich zu seinem runden Geburtstag und wünscht ihm alles Gute für das nächste Lebensjahr(zehnt), vor allem Gesundheit, Lebensfreude und weiterhin viel Erfolg bei seiner politischen Arbeit. Statt Blumensträuße gibt es ein paar Schneeglöckchen und weitere Impressionen/Stillleben dieser Tagen von der Flensburger Förde, unter anderem zum Thema „Ur-Gestein“. Er ist (mit Anhang) hiermit herzlich eingeladen zu einem Abendessen im Weimarer Elephanten, gerne  gefolgt von einem Absacker in der hiesigen Weinbar. „Tommy Lee“ (Thomas Leonard Kemmerich) ist ebenfalls eingeladen. (Vor allem, wenn er zuvor seine Spitzenposten in der Landes-FDP aufgibt. Zudem müsste er dafür sorgen, dass sein Hausverbot in der Weinbar, das dessen Wirt nach seiner Wahl zum Ministerpräsidenten im Frühjahr 2020 gegen ihn verhängt hatte, wieder aufgehoben wird.)

Für Wolfgang Kubicki soll zum Geburtstag hier und heute gelten: „Viel Glück aus Glücksburg.“

(Weitere Impressionen aus der Region finden sich in diesem Blog.)