Während die Parteien der Ampel-Koalition in Berlin noch um ihre „historische“ Übereinkunft ringen, sei an dieser Stelle an ein paar andere geschichtliche Ereignisse des Monates November erinnert.
Da fällt den meisten Deutschen wohl primär der Fall der Mauer am 9. November 1989 ein, er jährt sich in zwei Tagen zum 32. Mal. Dieser Tag wurde auch als Schicksalstag der Deutschen bezeichnet, fand doch an dem gleichen Tag im Jahr 1938 die Verfolgung der Juden in Deutschland und Österreich statt im Rahmen der sogenannten „Reichsprogrome“, vielen auch bekannt unter dem Namen „Reichskristallnacht“. Denn an diesem Tage ging nicht nur viel „Kristall“/Glas zu Bruch, sondern des Nachts waren Städte und Dörfer in Deutschland und Österreich „kristallhell“ erleuchtet, wurden doch Synagogen, Geschäfte und sonstige jüdische Einrichtungen von den Nationalsozialisten in Brand gesteckt.
Auch der 9. November 1918 spielt in der Deutschen Geschichte eine wichtige Rolle. Denn an diesem Tag rief der MSPD-Politiker Philipp Scheidemann die Deutsche Republik aus. Diesem Ereignis vorgelagert war der Kieler Matrosenaufstand vom 03. November 1918, der den Beginn der November-Revolution in Deutschland bedeutete und die Bundesfürsten des Deutschen Reiches zur Abdankung zwang. Der letzte kaiserliche Reichskanzler Max von Baden (1867-1929) verkündete auf Drängen von Friedrich Ebert (1871-1925) an diesem Tag den Thronverzicht von Kaiser Wilhelm II. (1859-1941). Dieser befand sich zu dem Zeitpunkt im Großen Hauptquartier im belgischen Spa. Der Erste Weltkrieg ging erst zwei Tage später am 11. November 1918 mit der Unterzeichnung des Waffenstillstands von Compiegne zu Ende.
(Wer nähere Informationen zu dem 9. November als „Deutschen Schicksalstag“ sucht, sei auf das Buch von Wolfgang Niess verwiesen; Der 9. November. Die Deutschen und ihr Schicksalstag. Er markiert den Beginn der Demokratie in Deutschland.)
Die Verengung des Schicksal auf diesen einen Tag im November greift aus hiesiger Wicht jedoch zu kurz, denn es gibt auch andere Ereignisse im November, mit denen das Schicksal Deutschlands eng verbunden ist. Das ist vor allem der 7. November, der Tag, an dem in Russland die sogenannte „Oktober-Revolution“ des Jahres 1917 stattfand, durch die Lenin und die Bolschewiken begannen, in Russland und der späteren Sowjetunion die Macht zu übernehmen und an dem die Basis für das spätere Weltreich des Kommunismus gelegt wurde. (Die Bezeichnung Oktober-Revolution beruht darauf, dass die Ereignisse nach damaliger Zeitrechnung am 25. Oktober stattfanden. Erst im Jahre 1918 erfolgte in Russland die Umstellung des Julianischen Kalenders auf den Gregorianischen Kalender von 1582, der zu einer Zeitverschiebung von 13 Tagen führte. (Die russisch-orthodoxe Kirche hat diese Kalenderumwandlung bis zum heutigen Tag nicht vollzogen, weshalb in der Russisch-orthodoxen Kirche das christliche Weihnachtsfest Anfang Januar gefeiert wird.)
Das sowjetisch-kommunistische Weltreich wurde dann beginnend am 6. November 1991 zu Grabe getragen, als Boris Jelzin, der damalige russische Präsident, ein Dekret („Ukas“) erlies, mit dem er der kommunistischen Partei von Russland (KPsSU und KP der RSFSR) jegliche Tätigkeit in seinem Land verbot. Dem vorausgegangen war der Putsch vom 19. August 1991, bei dem die alten kommunistischen Kader unter Leitung des Vizepräsidenten Gennadi Iwanowitsch Janajew den Präsidenten Michail Gorbatschow als „überarbeitet“ und „erholungsbedürftig“ bezeichneten und erklärten, er werde seine Tätigkeit als Präsident vorerst nicht wieder aufnehmen. Gorbatschow weilte in dieser Zeit in einer seiner Datschen/Paläste in Foros auf der Krim.
Gorbatschow hat für Deutschland und viele Länder der ehemaligen SU zweifellos historisches geleistet, wird von seinen Landsleuten aber nicht ganz zu Unrecht als Versager angesehen, führten doch Glasnost und Perestroika nicht zu der von ihm erhofften Erneuerung des Kommunismus, sondern zu einem Erstarken des Nationalismus in vielen Regionen und Ländern und dem Zerfall der Sowjetunion. So erklärten sich in den Jahren 1990 und 1991 sukzessive ein Land nach dem anderen der ehemaligen Sowjetunion für unabhängig. Das offizielle Ende der Sowjetunion wurde dann am 8.12.1991 mit der Unterzeichnung des Vertrags von Minsk besiegelt sowie der Gründung der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) auf der Konferenz von Alma-Ata, dem heutiges Almaty in Kasachstan am 21.12.1991.
Der November ist für die Russen auch aus anderem Grunde bedeutsam, begehen sie doch am 4. November den Tag der Einheit des Volkes. Er wurde am 4.11.2005 (wieder) eingeführt, war er doch bis zur Gründung der Sowjetunion 1992 Nationalfeiertag wegen der Befreiung Moskaus von der polnisch-litauischen Besatzung im Jahr 1612. Er wurde zu Sowjetzeiten für den Feiertag am 7. November aufgegeben, an dem die besagte „Oktober-Revolution“ begangen wurde.
Das Deutsche Volk ist insofern in diesen Anfangstagen des Novembers in besonderem Weise mit den Völkern der ehemaligen Sowjetunion verbunden und das gilt ebenso für das Jüdische Volk. Denn die Juden wurden vielleicht am sichtbarsten für die ganze Welt am 9. November 1938 von den Nationalsozialisten in Österreich und Deutschland gedemütigt, bevor sie dann nicht nur im Deutschen Reich und Westeuropa sondern vor allem in den „neuen Ostgebieten“ in den Konzentrationslagern vernichtet wurden, genannt sei an dieser Stelle beispielhaft das im jetzigen Polen gelegene KZ Auschwitz.
Es ist daher aus hiesiger Sicht keine schlechte Idee, den 9. November zu einem nationalen Gedenk- und Feiertag zu machen, wie es der Historiker und Moderator Wolfgang Niess vorgeschlagen hat. Doch sollte an diesem Tag nicht nur die nationale Wiedervereinigung begangen werden (dafür gibt es ja bereits den Feiertag des 3. Oktobers), sondern es sollte an diesem Tag vor allem der Verbundenheit der Deutschen mit den Völkern im ehemaligen Ostblock und dem jetzigen Israel, das den (schrecklichen) Geschehnissen des Zweiten Weltkrieges seine Entstehung verdankt, gedacht werden.
Insgesamt sollte dieser Tag der internationalen Verbundenheit Deutschlands mit den Völkern Europas und der ganzen Welt gewidmet sein. Insofern sollte er sich gegen jedwede Form des (übersteigerten) Nationalismus wenden. Denn die Geschichte lehrt, dass Nationalismus und der mit ihm verbundene Rechtsextremismus die größte Gefahr für Deutschland, Europa und jedwede funktionierende Staatengemeinschaft darstellt.
Die Ampel-Koalitionäre in Berlin haben zur Zeit vermutlich andere Sorgen. Man kann ihnen von von dieser Stelle nur Weitsicht und Erfolg bei ihrem Verhandlungen wünschen.
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