Oder
Was Deutschland von Amerika bzw. besser gesagt Marin County in Kalifornien lernen kann.
Die politischen (Ampel-) Signale in Deutschland stehen deutlich auf Einführung einer allgemeine Corona-Impfpflicht, nachdem sich in der letzten Woche auch der zukünftige Bundeskanzler Olaf Scholz dafür ausgesprochen hat. An dieser Stelle wurde mehrfach dafür geworben, siehe Beiträge zu „Plädoyer für eine (Corona-) Impfpflicht“, „Corona und Effizienz“, „Auf zur Ü50-(Impf-) Party“.
Der Ethikrat (warum eigentlich nicht ein medizinisches Expertengremium oder zumindest ein solches in Zusammenarbeit mit dem Ethikrat und Juristen?) soll nun einen Vorschlag erarbeiten. Der Fraktionszwang bei der Abstimmung im Bundestag wird aufgehoben. Jeder Abgeordnete ist dann nur seinem „Gewissen“ verantwortlich (und fühlt sich möglichst ebenso dem Wohl der Gesamtbevölkerung verpflichtet). Damit wird der Corona-Pandemie hoffentlich das Bevölkerungsklientel zu seiner Ausbreitung genommen, eine 5. Welle verhindert sowie dem „Notstand“ ein Ende gesetzt.
Ein Problem dieser Pandemie ist, dass dieser Notstand nicht als ein „allgemeiner Notstand“ von großen Teilen der Bevölkerung wahrgenommen wird. Gleichwohl soll er nun mit einer „allgemeinen Impfpflicht“ bekämpft werden. Insgesamt wird von Seiten der Politik und Justiz der Ton rauer. Das Bundeswehrkontingent, das zur Bekämpfung der Pandemie im Einsatz ist, wurde in der letzten Woche um 4.000 Personen auf 12.000 Männer (und Frauen) erhöht. Der Bundeswehr-General Carsten Breuer wird die Führung des Corona-Krisenstabes im Bundeskanzleramt übernehmen. Die Nation ist quasi im Krieg gegen das Virus.
Und ein nicht kleiner Teil der Bevölkerung reibt sich verwundert die Augen und fragt sich „Ja, wieso das alles überhaupt?“ „Uns geht es doch gar nicht schlecht?“ „Mein Risiko, an der Erkrankung zu sterben liegt doch bei unter 1%.“ „Das ist doch eine natürliche Auslese. Wer sich nicht impfen lassen will, soll es tun und für sich ruhig das Risiko einer Erkrankung und des Sterbens in Kauf nehmen.“
Das Problem bei der Sache ist jedoch, dass jede Person, auch diejenige, die selbst nicht durch Covid-19 gefährdet ist, zum Überträger des Virus und damit zum „Todesengel“ für andere Menschen werden kann.
Die Lage ist verzwickt. Und die Politik muss wohl akzeptieren, dass es eine nicht zu unterschätzende Fraktion von Menschen in der Bevölkerung gibt, die der Corona-Pandemie skeptisch und der Impfung ablehnend gegenüber stehen. Und diese Personen sollen nun bald mit einer Impfpflicht zur Räson gebracht werden. Es wird quasi gelten „Und bist Du nicht willig, so gebrauch ich Gewalt“. Zumindest wird es wohl eine Disziplinarstrafe etwa in Form einer Ordnungswidrigkeit (wie bei einem Verkehrsdelikt) geben. Mit solchen „OWIs“ macht man sich nicht sonderlich beliebt in der Bevölkerung, was der Grund dafür war, dass Politikerinnen und Politiker vor dieser Maßnahme bisher zurückgeschreckt sind. Doch jetzt ist der Ruf nach einer Impfpflicht aus der Bevölkerung selbst so vernehmlich geworden, dass ihn die Politik nicht mehr überhören konnte. Gleichwohl verbirgt sich dahinter ein erhebliches Spannungspotential. Spätestens wenn die Pandemie zu Ende ist, wird so mancher fragen, ob das alles überhaupt nötig war.
Gleichwohl kommt man aus hiesiger Sicht an dem „I“ nicht vorbei. Es steht für das „Impfen“ und die „Impfpflicht“ selbst. Es bedarf von Seiten der Politik eines klaren und unmissverständlichen Signals, welche Maßnahme in dieser Pandemie sinnvoll und notwendig ist, um sie effektiv zu bekämpfen und zu beenden. Und das ist ganz klar die Impfung. Insofern besteht auch die Rechtfertigung dafür, sie als „Zwangs-Medizin“ der Bevölkerung zu verordnen, zumindest dem Teil, der besonders gefährdet ist. Das Bundesverfassungsgericht hat in der letzten Woche eindeutig signalisiert, dass es sich so einer Impfpflicht nicht in den Weg stellen wird. Einen individuellen Selbstmord kann und muss die Politik akzeptieren, die Massentötung eines nicht unerheblichen Teils der Bevölkerung (bisher immerhin über 100.000 Personen) sicherlich nicht.
Gleichzeitig sollte man aber das „A“ nicht vergessen. Es steht für „Aufklärung“, „Anteilnahme“ und Mitnahme des kritischen Teils der Bevölkerung in dieser Pandemie. Diesbezüglich ist der Blick nach Marin County in den USA hilfreich. Denn hier hat es Dr. Matt Willis, der Leiter des Gesundheitsamtes dieses Distrikts nördlich von San Francisco, geschafft, aus einer Hochburg von Impfskeptikern und Impfgegnern einen Bezirk zu formen, der mit 92% Geimpften mittlerweile zu einer Vorzeigeregion in der amerikanischen Impfkampagne gehört. Gelungen ist ihm dies einerseits mit einer Untersuchung und Befragung, warum die Menschen gegen eine Impfung sind, und andererseits mit diversen Maßnahmen, etwa der Rekrutierung von Vorbildnern in den einzelnen Bevölkerungsgruppen, die zu „Aposteln“ der Impfung wurden und sukzessive einen immer größeren Teil der Menschen davon überzeugt haben, dass es sinnvoll ist, sich impfen zu lassen.
Denn es bedarf einer Rücksichtnahme auf die vielfachen Motivationslagen der Impfkritiker. Eine Erkenntnis von Dr. Willis war, dass es nicht „den einen“ Impfgegner gibt. Vielmehr ist die Stimmungslage divers und jeder „Impfverweigerer“ hat seine eigene Begründung, wieso er oder sie sich (noch) nicht impfen lässt/lassen will. Man sollte insofern versuchen, alle Kritikerinnen und Kritiker der Impfung dort abzuholen, wo sie sich mental und rational befinden. Auch muss man sich einmal in die Lage eines überzeugten Impfkritikers versetzen, der nicht nur sich selbst von seiner Meinung überzeugt hat, sondern sich auch gegenüber Bekannten und Freunden vehement gegen eine Impfung ausgesprochen hat. Was für eine Demütigung ist es nun, wenn man ihn zwingt, sich impfen zu lassen. Die Impfpflicht wird erheblichen Protest hervorrufen. Insofern sollte man versuchen, den Impfskeptikern und Impfgegnern argumentatives Rüstzeug an die Hand zu geben, das es ihnen erlaubt, ihre Meinung zur Impfung zu ändern. Die Impfpflicht selbst ist für einige so ein Argument, aber nicht für alle. Weitere Ablehnungsgründe sind etwa die Art der Vakzine, denn nicht wenige argumentieren „Es handelt sich um einen neuen, unbekannten Impfstoff“ und „eine unbekannte Impfmethode“, etc.
So kann man hoffentlich bald einem Teil der Impfkritikern mit den (noch nicht) verfügbaren Todimpfstoffen Novavax und Valneva überzeugen, sich impfen zu lassen. Sie wurden auf „konventionellem Wege“, d.h. mit ähnlichen Verfahren wie frühere Impfstoffe, und nicht mit der neuen mRNA-Technologie generiert. Und auch anderen Skeptikern und Gegnern sollte man möglichst rationale (und emotionale) Ausstiegsstrategien aus ihrer Impfgegnerschaft offerieren. Denn es ist wichtig, dass sich die Gesellschaft auch diesen Personen annimmt, sie nicht stigmatisiert und durch die Impfpflicht marginalisiert. Denn an der Impfpflicht werden noch viele Personen einschließlich einiger Politikerinnen und Politiker ganz schön zu „knapsen“ haben.
Insofern sei an dieser Stelle dafür geworben, dass man die Impfpflicht mit einer Aufklärungskampagne verbindet, so dass „A“ und „I“ bei der Impfpflicht Hand in Hand gehen. Denn sollte der Impfpflicht der Erfolg verwehrt bleiben, wird wohl so mancher in der Bevölkerung diese Maßnahme als ein weiteres „I-A“ der (Corona-) Politik empfinden. Dann hätten wir in Deutschland statt einer „lame duck“ (das Synonym eines machtlosen Präsidenten in den USA) womöglich einen „wiehernde Esel“ generiert. An der politischen Großwetterlage in den USA, wo sich Republikaner und Demokraten gegenseitig blockieren und in unversöhnlichen Lagern gegenüber stehen, sollte sich die hiesige Politik zumindest kein Vorbild nehmen.
Quellen der Bilder zu diesem Beitrag:
Zeigefinger: pngwing.com: https://www.pngwing.com/de/free-png-hjbzy
Spritze: https://de.freepik.com/freie-ikonen/spritze-mit-medikamenten_740293.htm
Marin county: https://en.wikipedia.org/wiki/Marin_County,_California#/map/0
Stinkefinger: https://allfacebook.de/allgemeines/so-gehts-dislike-und-stinkefinger-fur-den-facebook-chat
Esel: #LoveNature, https://www.youtube.com/watch?v=EScqCzHX284
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