Oder „Weimar und sein verhüllter Held Ernst Thälmann“
In diesen Tagen findet in Weimar ein Kulturfestival zur Geschichte statt mit dem Titel „Weimarer Rendez-vous mit der Geschichte„.
Bei der heutigen Eröffnungsveranstaltung am 12. November, 18;30, in der Notenbank geht es um die Frage
„Braucht eine Demokratie HeldInnen?“
In dem Kontext wird ein Denkmal von Ernst Thälmann (1886-1944) verhüllt. Zuvor ist es vermutlich den meisten in Weimar lebenden Menschen kaum aufgefallen.
Es steht am Buchenwaldplatz, einem rechteckigem Platz in der Mitte der Carl-August-Allee, die man entlang geht, wenn man den Weg aus der Stadt zum Bahnhof bzw. von dort kommend in das Stadtzentrum wandert. Mit dem erhobenen Arm und der schütteren Stirnbeharrung ist man an so manche Lenin- oder Marx-Statue erinnert. Und in der Tat stammt das Denkmal aus einer Zeit, in der Denkmäler für solche Größen des Kommunismus zu Hauf aufgestellt wurden, die Einweihung erfolgt im Jahr 1958. Seine Statue hat im Gegensatz zu manch anderen den „Bilder- und Statuen-Sturm“ der Nachwendezeit überlebt.
Und das hat Ernst Thälmann aus hiesiger Sicht durchaus verdient, was nicht nur daran liegt, dass der Autor dieser Zeilen als Norddeutscher eine „geographische Sympathie“ für den in Hamburg, in kleinbürgerlichen Verhältnissen geborenen Ernst Thälmann empfindet. Seine Eltern besaßen ein kleines Gemüse-, Steinkohlen- und Fuhrwerksgeschäft in Hamburg Eilbeck. Eine frühkindliche, sozialistisch-kommunistische Prägung hat er als 10-Jähriger erfahren, als er mit den Hamburger Hafenarbeitern in Kontakt trat, die sich im Hamburger Hafenarbeiterstreik 1896/97 engagiertem, einem der größten Arbeitskämpfe im Deutschen Kaiserreich, der mit einer vollständigen Niederlage der Streikenden endete.
Er verlies im Streit das Elternhaus mit gerade einmal 16 Jahren, kam zunächst in ein Obdachlosenheim, lebte dann in einer Kellerwohnung, bevor er zum Militär kam und dort 1906 zunächst als „unbrauchbar“ entlassen wurde. Er wurde dann Heizer auf einem Transatlantikdampfer und war für kurze Zeit Landarbeiter in der Nähe von New York. Danach arbeitete der als Speicherarbeiter, Schauermann und Kutscher und wurde bis zum Ersten Weltkrieg ein konsequenter Streiter für die Interessen der Hafenarbeiter.
Nach seinem erneuten Einzug als Soldat im Jahr 1915 kämpfte er mit bei so mancher bekannten Schlacht des Ersten Weltkrieges (1914-1918) und wurde mit dem Eisernen Kreuz, dem Hanseatenkreuz und dem Verwundetenabzeichen ausgezeichnet. Seine große Stunde schlug in der Weimarer Republik, wo er von 1925 bis 1933 Vorsitzender der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) wurde und in den Jahren 1924-1933 als Abgeordneter dem Reichstag angehörte. Im Jahr 1932 war der Kandidat bei der Wahl des Reichstagspräsidenten.
Damit war es nach dem Reichstagsbrand 1933 schlagartig vorbei. Er wurde wenige Tage nach diesem Ereignis von den Nazis verhaftet, saß für 11 Jahre bis 1944 in Einzelhaft, bevor er vermutlich auf persönliche Anordnung Hitlers im August erschossen wurde. Damit wurde ihm zumindest „die Ehre“ eine Erschießung zuerkannt, was den Wehrmachtsangehörigen und Widerstandskämpfern des Hitler-Attentats vom 20. Juli 1994 verweigert wurde. Sie wurden erhängt. Thälmann gehörte zu einem der über 38.000 Tote, die im KZ Buchenwald zu verzeichnen sind. Dass sein Standbild auf dem Buchenwaldplatz steht, ist daher auch heutzutage verständlich, angemessen und wichtig.
Die Frage „Braucht eine Demokratie HeldInnen?“ ist eine durchaus interessante angesichts der Tatsache, dass der Begriff „Held/Heldin“ im täglichen Sprachgebrauch recht inflationär gebraucht wird. Auf dieser Webseite ist der Begriff auch schon benutzt worden in Bezug auf Boris Johnson und die „Helden der (Samstags-) Arbeit„.
Mittlerweile ist die Statue wieder enthüllt und sie kommt samt Inschrift im Sockel wieder voll zur Geltung (siehe Bilder zu dem Beitrag). An der Mauer hinter der Mauer steht geschrieben „Aus Eurem Opfertod wächst unsere sozialistische Tat“. Gemeint ist mit den Opfern nicht nur Thälmann, sondern auch so manch andere Personen, die im KZ Buchenwald einsaßen und gestorben sind. (Die „sozialistische Tat“ spiegelt natürlich die Zeitspanne wieder, in der die Statue aufgestellt wurde.)
Weitere Personen, die in Buchenwald einsaßen oder im KZ Mittelbau-Dora eingesetzt wurden, sind mit Portraitbildern, Namen, Grund und Zeit ihrer Inhaftierung auf Aufstelltafeln zu sehen. Es handelt sich um teils noch lebende Zeitzeugen, und zwar
- Alojzy Maciak (Jg. 1928)
- Vasile Nußbaum (Jg. 1929)
- Ottomar Rottmann (1921-2018)
- Pawel Tichomirow (Jg. 1923)
Über das Bild-Projekt zu den Aufnahmen ehemaliger Häftlinge sind sowohl Artikel auf deutsch als auch in englisch erschienen. Wer mehr über die Personen, Projekte und Publikationen erfahren möchte, sei auf die entsprechenden Verlinkungen verwiesen.
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