und Ernst ist jetzt 6 Jahre alt
und muss zur Schule gehen.
Womit wir auf nicht ganz ernstgemeinte Weise beim Thema wären und uns der Lösung des Rätsels nähern. Denn die Tür gehört zu einer Schule, die ursprünglich als Wilhelm-Ernst-Gymnasium im Jahre 1712 von dem gleichnamigen Herzog (1662-1728) von Sachsen-Weimar gegründet wurde.
Er gehörte zu den sogenannten „Ernestiner“, das ist eine Linie des Hauses Wettin, die zusammen mit der zweiten, ebenfalls noch bestehenden Linie der „Albertinern“ über eine mehr als 1000-jährige, urkundlich nachgewiesene Familiengeschichte verfügt und damit zu einem der ältesten Geschlechter des Deutschen Hochadels zählt. Auch der bereits früher erwähnte Kurfürst Friedrich III. von Sachsen („der Weise“, 1463-1525) und Prinz Albert von Sachsen-Coburg und Gotha (1819-1861), Gemahl von Königin Viktoria des Vereinigten Königreichs von Großbritannien und Irlands, gehörten der Ernestiner Linie der Wettiner an, auch wenn man dies anhand des Namens von Prinz Albert (sein Taufname war eigentlich Albrecht) nicht vermuten würde. Doch mag diese Namengebung Ausdruck des freiheitlichen Geistes gewesen sein, der damals im Hauses Sachsen-Coburg und Gotha herrschte, hatte doch Albert’s Bruder Ernst II. (1818-1893) als Regent in seinem Fürstentum nach der Märzrevolution 1848 als einziger Herrscher ein Staatsgrundgesetz eingeführt und damit dem Fürstentum Sachsen-Coburg und Gotha die fortschrittlichste Verfassung im damaligen Deutschland gegeben. Vermutlich wurde die Sache mit dem Namen bei den zweitgeborenen Söhnen auch nicht ganz so „ernst“ genommen.
Mit der Namensgebung bei den „Albertiner“ wurde insgesamt freizügiger umgegangen. Diese Linie geht zwar zurück auf einen Albrecht, nämlich Albrecht „den Beherzten“ (1443-1500), der sich mit seinem Bruder Ernst nicht mehr grün war, was schließlich 1485 zur sogenannten „Leipziger Teilung“ führte. Die Nachfolger „des Beherzten“ hießen nur noch in Ausnahmefällen Albrecht oder Albert, häufiger ist der Name Johann Georg und insbesondere Friedrich August. Denn an dieser Stelle muss der „Albertiner“ (Friedrich) August der Starke von Sachsen (1670-1733) genannt werden, dem Dresden sein kulturelle Blüte verdankte.
Doch zurück zu den Ernestinern. Da gab es einen weiteren wichtigen Vertreter, der sich sehr um das Schulwesen bemüht hatte: Ernst I., „der Fromme“, von Sachsen-Weimar (1601-1675). Er lies nicht nur das Schloss Friedenstein in Gotha noch während des 30-jährigen Krieges von 1643-1654 erbauen („Nomen est omen“), sondern auch 1642 erstmals die Schulpflicht für Fünf- bis Zwölfjährige in Thüringen einführen. Das war damals zusammen mit der Einrichtung eines Waisenhauses, der Reorganisation des Justizwesen und der staatlichen Aufsicht des Gesundheitswesen eine zukunftsweisende Maßnahme.
Zuvor wurde innerhalb des Heiligen Römischen Reich Deutscher Nationen die Schulpflicht nur in dem Herzogtum Pfalz-Zweibrücken im Jahre 1592 (hier nota bene sowohl für Jungen als auch Mädchen) eingeführt. Dies geschah unter Federführung der evangelischen Reichsstadt Straßburg im Elsass, die selbst im Jahr 1598 ein entsprechendes Gesetz erließ. Insgesamt wurde diese Entwicklung wesentlich durch die Reformation und Martin Luther (1483-1546) befördert. Dessen Übersetzung der Bibel ins Deutsche hatte ja gerade das Ziel, dass einfache Menschen dieses bedeutende Buch lesen sollten. So appellierte Luther Im Jahr 1524 in seiner Schrift „An die Ratsherren aller Städte deutschen Landes, dass sie christliche Schulen aufrichten und halten sollen.“
Die Schulpflicht war initial jedoch vorrangig eine „Eliteförderung von Jungen“. Auch stand die Landbevölkerung dieser Entwicklung zu Beginn keineswegs freudig-erregt gegenüber, vertrat man doch die Ansicht, dass die Jungen und Mädchen besser bei der Ernte helfen sollten, als unnützes Zeug in der Schule zu lernen. Erst die Weimarer Verfassung schrieb im Jahr 1919 die Schulpflicht für alle Jungen und Mädchen in Deutschland fest. Und in dieser Zeit wurden folglich viele neuen Schulen gebaut, so etwa das Weimarer Friedrich-Schiller-Gymnasium (Bauzeit von 1927-1936).
Bedeutende Pädagogen wirkten in Thüringen und von hier aus haben wichtige Entwicklungen in der Kinder- und Schulbildung ihren Ausgang genommen. Genannt seien beispielhaft
- Johann Gottfried Herder (1744-1803): Er war nicht nur Superindentent und erster Prediger an der Stadtkriche St. Peter und Paul (heute auch genannt „Herder-Kirche) sondern gleichzeitig jahrelang Direktor des direkt neben der Kirche gelegenen Ernst-Wilhelm-Gymnasiums und Ephorus/Vorsteher der Schulen im gesamten Herzogtum Sachsen-Weimar und Eisenach
- Johannes Daniel Falk (1768-1826), Begründer der Rettungshausbewegung und der Jugendsozialarbeit
- Friedrich Fröbel (1782-1852), Schüler des Schweizers Johann Heinrich Pestalozzi (1746-1827) und Begründer des „Kindergartens“
- Karl Volkmar Stoy (1815-1885): bedeutender Vertreter des „Herbartianismus“, benannt nach Johann Friedrich Herbart (1776-1841), dem Begründer der „Allgemeinen Pädagogik“
- Wilhelm Rein (1847-1929): einflussreicher und letzter Vertreter des „Herbartianismus“
- Peter Petersen (1884-1952), Begründer der Jena-Plan Schule
- Adolf Reichwein (1898-1944): Begründer der Volksschule und des Arbeiterbildungsheims in Jena. Als Widerständler wurde er von den Nazis 1944 in Plötzensee erhängt
- Rudolf Steiner (1861-1925), der Begründer der Anthroposophie war Herausgeber der naturwissenschaftlichen Schriften von Johann Wolfgang von Goethe und Mitarbeiter des gerade neu gegründeten Goethe- und Schiller-Archivs in Weimar
Die Schullandschaft in Weimar und Thüringen ist seit dieser Zeit sehr vielgestaltig geworden. In Weimar gibt es mittlerweile allein 4 Gymnasien, neben dem „Goethe„, auch das „Schiller„, das Humboldt-Gymnasium wie auch das Belvedere-Musikgymnasium, das quasi die Vorbereitungsanstalt für die Aufnahme in die Franz-Liszt-Musikhochschule Weimar darstellt und von einigen hochbegabten Jungmusikerinnen und -musikern aus dem In- und Ausland frequentiert wird. Daneben existieren 8 Grundschulen, 3 Regelschulen, 2 Gemeinschaftsschulen, 1 Berufsschule, 1 staatliches Berufsbildungszentrum, zwei Förderzentren und vier freie Schulen. Darunter befindet sich die Freie Waldorfschule, die Freie Ganztagsschule Anna Amalia, die Johannes-Landenberger-Schule, eine Förderschule mit dem Schwerpunkt „Geistige Entwicklung“, die DEB, eine staatlich genehmigte Fachschule und Höhere Berufsfachschule für Gesundheits- und Sozialberufe und nicht zu vergessen die Thuringia International School, die den Weg zu einem international anerkannten Abitur eröffnet.
In den Schulbenennungen werden viele der bedeutenden Pädagogen wie auch andere Persönlichkeiten geehrt. So sind Schulen benannt nach Johannes Falk, Johann Heinrich-Pestalozzi, Albert Schweitzer (1875-1965), der in Weimar wirkte, dem Unternehmer Carl Zeiss (1818-1888), der in Weimar geboren wurde, dem Schriftsteller, Dichter, Komponisten und Diplomaten Louis Fürnberg (1909-1957), dem Verleger und Goethe-Zeitgenossen Friedrich Justin Bertuch (1747-1822) sowie dem Maler und Luther-Mitstreiter Lucas Cranach (1472-1553). Mit dem Namen „Jenaplan“-Schule, einer Gemeinschaftsschule im Zentrum der Stadt in unmittelbarer Nachbarschaft zum Deutschen Nationaltheater, wird Peter Petersen indirekt eine Referenz erwiesen. Er prägte den Begriff „Frontalunterricht“, den er mit der von ihm entwickelten Schulmethode überwandte. Da seine Schriften zur Zeiten des Nationalsozialismus auch rassistische Ansichten enthielten und er sich antisemitisch und restaurativ geäußert hatte, ist seine Name selbst nicht mehr en-vogue. So hat die Stadt Jena den nach ihm benannten „Petersen-Platz“ im Jahr 2011 in „Jenaplan“ umbenannt.
Bemängeln mag man an diesen Schulbenennungen die männliche Dominanz. Nur Anna Amalia hat es hier zu Ehren geschafft. (Im nahe bei Weimar gelegenen Nohra ist auch eine Schule nach der Ärztin, Reformpädagogin und Philosophin Maria Montessori (1870-1952) benannt.). Doch muss man dieses Faktum vor allem als Indiz betrachten, dass Frauen in der Vergangenheit nicht annähernd die gleichen Chancen wie Männer hatten, sich in Bildung, Schulwesen, Universitäten, Wirtschaft etc. pp. einen Namen zu verschaffen. Das sollte und wird sich ändern. Im Schulwesen gibt es bereits eine gewisse weibliche Dominanz, so dass bisweilen schon eine Benachteiligung männlicher Schüler beklagt wird. Daran mag ersichtlich werden, wie sich vielerlei gesellschaftliche Phänomene und Probleme auf die Schule projizieren lassen und sich so mancher „Stellvertreterkrieg“ mit dem Thema Schule anzetteln lässt.
Das Niveau der Schulen Thüringens ist im nationalen Vergleich gar nicht schlecht, nach Sachsen und Bayern liegt Thüringen relativ konstant in der Spitzengruppe, allerdings mit absteigender Tendenz. Interessanterweise ist mit Bayern ein Land konstant in der Spitzengruppe, in dem es in den letzten Jahrzehnten keine wesentlichen Veränderungen in der „politischen Grosswetterlage“ gegeben hat. Die CSU stellt seit 1957 ununterbrochen den bayrischen Ministerpräsidenten. Demgegenüber gab es in allen anderen Bundesländern einen stärkeren Wechsel in den regierenden Parteien, was dem Schulsystem offenbar nicht unbedingt gut tat. Vielmehr ist das Gegenteil der Fall. Denn Schulpolitik ist eines der wichtigsten Themen im Land und beim Wahlkampf. In diesem Feld will sich jede Partei profilieren. Und insofern hat sich in den meisten Bundesländern eine gewisse „Reformitis“, ein beständiger Reformeifer in der Schulpolitik etabliert, der zu mancher Neuerung führte, die sich im Nachhinein nicht unbedingt als vorteilhaft erwiesen hat.
Auch scheint in dem Spitzenamt des für die Schule zuständigen Ministeriums nicht ein Expertentum für die Schulpolitik notwendig zu sein. So ist der aktuelle Thüringer Minister für Bildung, Jugend und Sport, Helmut Holter (Die Linke) Diplomingenieur für Betontechnologie. Er war zuvor in Mecklenburg-Vorpommern Minister für Arbeit, Bau und Landesentwicklung. Man muss ihn zweifellos zu den bekannteren und profilierteren Landesminister zählen. Gleichwohl ist insgesamt zu konstatieren, dass in den meisten Führungspositionen von Ministerien, Fachkompetenz kein entscheidendes Kriterium für die Selektion des „Spitzenpersonals“ ist. Es waren insofern selige Zeiten, als sich solche Koryphäen wie Johann Gottfried Herder um das Schulwesen im Lande kümmerten.
Es wäre auch heute nicht schlecht, wenn profilierte Pädagogen wieder mehr Mitsprache bei der Gestaltung des Schulwesens erhalten würden. Man spricht viel über die Lehrer und legt ihnen mit Schulplänen und sonstigen Regularien ein recht enges Korsett an. Doch was ist eigentlich deren Kernaufgabe? Aus Sicht des Autors ist dies nicht nur die Vermittlung von Wissen, sondern mindestens ebenso die Wahrnehmung einer Vorbildfunktion. Und das funktioniert sowohl im positiven wie auch im negativen Sinne. Solange es genügend gute Lehrer an einer Schule gibt, erfüllt der weniger gute zumindest den Zweck, dass er als Negativbeispiel dienen mag, wie man seine Aufgabe besser nicht bewältigen sollte.
Insofern ist ein Kernkriterium einer guten Schule, über wie viele Lehrerinnen und Lehrer sie verfügt, die bereit sind, ihre Vorbildfunktion wahrzunehmen und auszufüllen. Und dieser Anteil ist zu niedrig, was man daran ablesen mag, dass es heutzutage für die meisten Bundesländer (außer Bayern) ein Problem ist, freie Schulleiterstellen zu besetzen. Doch das liegt wohl weniger an den in Frage kommenden Personen als vielmehr an den Rahmenbedingungen. Sie sind offenbar so unattraktiv, dass die meisten es ablehnen, einen solchen Posten anzustreben und einzunehmen. Man wird als Schuldirektor zu einem „Papiertiger“, der alle möglichen sinnigen und unsinnigen Verordnungen an seiner Schule umzusetzen und sie gegenüber den übergeordneten Behörden und dem Ministerium zu verantworten hat. Dieser tendenziell unerfreuliche, zusätzliche Aufwand muss zeitlich neben den Kernaufgaben als Lehrerin oder Lehrer bewältigt werden. Viel Zeit und Gelegenheit, ein eigenständiges pädagogisches Profil zu entwickeln gibt es da nicht. Ganz zu schweigen von dem fehlenden oder zumindest deutlich niedrigeren Respekt und der mangelhaften gesellschaftlichen Anerkennung, die man als Lehrer(in) und Schuldirektor(in) von Schülern und Eltern heutzutage gegenüber früheren Zeiten erfährt.
Doch noch ein Wort zu dem Ernst-Wilhelm- und Goethe-Gymnasium. Das erste Gebäude des Gymnasiums am Herderplatz steht noch und gehört zu den 3 Herder-Stätten, die von der UNESCO 1998 in die Weltkulturerbestätten „Klassisches Weimar“ aufgenommen wurden. Man sieht das Gebäude rechterhand der Herder-Kirche in der Abbildung auf der Startseite der FDP-Weimar-Webseite. Eine weitere Aufnahme ist in dem „Slider“ zu diesem Beitrag enthalten.
Das Bild der Eingangstür zu dem Rätsel liegt an der Amalien-Straße, benannt nach der schon genannten Herzogin Anna-Amalia von Braunschweig-Wolfenbüttel (1739-1807). Sie gab auch der Freimaurerloge „Anna Amalia zu den 3 Rosen“ ihren Namen (Gründung 1764), die in der Amalien-Straße Nr. 5 untergebracht war. Nach Verbot aller Freimaurerlogen durch die Nationalsozialisten im Jahr 1936 und Kriegsbeschädigung im Zweiten Weltkrieg wurde dieses Haus später abgerissen. Das Gebäude des Neubaus des Ernst-Wilhelm-Gymnasium hatte diese Ereignisse jedoch überlebt. Das neue Gebäude wurde im Jahr 1887 bezogen. Die Jahreszahlen der Gründung 1712 und des Umzugs 1887 des Ernst-Wilhelm-Gymnasiums sind oberhalb der Tür in Stein gehauen. Bekannter ist heutzutage die Ansicht der Schule mit Schulhof von der Humboldtstraße. Diese Seite markiert mittlerweile den Hauptzugang zu dem Schulgelände, Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Gymnasium zu einer sowjetischen Militärschule und nannte sich von 1951-1991 Polytechnische Oberschule „Johann Wolfgang von Goethe“, woraus sich ab 1991 der noch heutige gültige Name „Goethe-Gymnasium“ ableitete.
In unmittelbarer Nähe des Gymnasiums, ebenfalls zwischen Amalien-Straße und Humboldt-Straße gelegen, befindet sich das Museum für Ur- und Frühgeschichte, wo wissbegierige Schüler nach der Schule ggf. ihren Wissensdurst zu den Ursprüngen des Lebens und der Erdgeschichte stillen können. Für ein Treffen mit einer Angebeteten oder einem Angebeteten empfiehlt sich wohl eher der angrenzende Park des Poseckschen Gartens, wo man sich an dem Standbild des nackten Kriegers mit Helm und Schwert verabreden kann. Wer es etwas intimer möchte, kann sich in den nahegelegenen historischen Friedhof zurückziehen und dort am Grab der Familie Goethe Gedichte rezitieren.
Dies mag illustrieren, dass die Schule neben dem Ort der Wissensvermittlung auch ein Ort der Begegnung und des sozialen Kontaktes ist, was für die Persönlichkeitsbildung und Sozialisierung mindestens ebenso wichtig ist. Es ist insofern sehr zu hoffen, dass die Corona-Krise bald überwunden ist und die Beschränkungen in den Schulen wieder aufgehoben werden können.
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