Das Bild des zweiten Rätsels zeigte ein Detail über der Eingangstür der Herz-Jesu-Kirche, der katholischen Pfarrkirche in Weimar. In religiösen Dingen Erfahrene mögen anhand der Figuren der beiden Heiligen, die am rechten und linken Bildrand deutlich zu sehen sind, bemerkt haben, dass es sich um eine katholische Kirche handeln muss.
Thüringen ist zusammen mit Sachsen-Anhalt eigentlich Kernland der Reformation. Martin Luther (1483-1546), der in Eisleben geboren wurde, hatte im Augustinerkloster Erfurt seine Ausbildung zum katholischen Mönch erhalten, nachdem ihm bei einem heftigen Gewitter mit Blitz und Donner die Erleuchtung kam, dass er nicht Jurist, sondern Mönch werden solle. Bald stellte er fest, dass die damalige katholische Kirche sich auf einem Irrweg befand mit all seinen Heiligen und dem Ablasshandel, mit dem die Kirche den teuren Neubau des Petersdoms in Rom finanzieren wollte. In der Rückbesinnung auf die heilige Schrift, d.h. Gott, Jesus Christ und den heiligen Geist, sah er den Ausweg aus seinem christlichen Dilemma.
So fing er an, gegen die katholische Kirche zu wettern und wurde dabei unterstützt durch den Maler, Grafiker und Buchdrucker Lucas Cranach (1472-1553). Beide machte sich die neuen technischen Möglichkeiten des Buchdrucks zu Nutze, den Johannes Gutenberg (1400-1466) durch seine Erfindungen in Mainz in den 50-er Jahren des 15.Jahrhunderts den Weg bereitet hatte. Unterstützt wurde Luther auch von Friedrich dem Weisen von Sachsen (1463-1525), der ihn auf der Wartburg bei Eisenach verstecken ließ, wo er die Bibel ins Deutsche übersetzen konnte.
Es standen sich damals gegenüber Luther, Cranach und Friedrich III. auf der einen Seite und Kaiser Karl V. (1500-1558), „sein“ Maler Tizian und der Papst auf der anderen. Mehrere Päpste waren während der Lebenszeit von Martin Luther aktiv: Leo X. (1513-1521), Hadrian VI. (1522-1523), Clemens VII. (1523-1534), Paul III. (1534-1549) . Erwähnt sei an dieser Stelle insbesondere Papst Hadrian VI. dem letzten Papst vor Benedikt aus „Deutschen Landen“, d.h. in diesem Fall dem Heiligen Römischen Reich Deutscher Nationen. Er wurde vermutlich vergiftet, was seine kurze Amtszeit erklärt. Damit bestand eine recht ungleiche Konstellation. Martin Luther und seine Unterstützer unternahmen sozusagen einen Thüringisch-Sächsischen Zwergenaufstand gegen das Heilige Römische Reich Deutscher Nationen und seinen Habsburger Kaiser. Und dieser Aufstand gelang, was man im Nachhinein als Geniestreich bezeichnen kann, denn sämtliche „reformierten Konfessionen“ einschließlich der Anglikanischen Kirche in England und damit auch die evangelikalen Bewegungen in den USA, die bei der letzten Präsidentenwahl für Donald Trump eine wichtige Unterstützung darstellten, gehen letztlich auf diese konfessionelle Zeitenwende zurück. Sie wurde in Deutschland allerdings mit einem erheblichem Blutzoll und den schrecklichen Verwüstungen des 30-jährigen Krieg (1618-1648) bezahlt.
Wie allgemein bekannt begann dieses europäisches Schicksalsereignis in Prag, das keine 300 km von Weimar entfernt liegt, durch den Prager Fenstersturz im Jahr 1618. Thüringen grenzt an Böhmen/Tschechien und es waren die Böhmischen Stände, die der protestantischen Union zugetan waren, die sich gegen ihren Landesvater, König Ferdinand, dem späteren Kaiser Ferdinand II. aus dem Hause Habsburg, und damit die katholische Liga, erhoben. Wie die Sache für die Böhmen ausgegangen ist, kann man an den Statuen der vielen Heiligen auf der Prager Karlsbrücke erkennen.
Doch zurück zur Herz-Jesu-Kirche. Sie wurde gebaut im 19. Jahrhundert, nachdem die Katholiken bereits ab 1744 wieder öffentlich katholische Gottesdienste in Weimar abhielten. Auf die Initiative Napoleons ging im Jahr 1806 die Gründung einer katholischen Pfarrei in Weimar zurück, der es durch eine europaweite Spendenaktion gelang, im Jahr 1889 mit dem Bau der Herz-Jesu-Kirche zu beginnen. Vorbild für die Kuppel und den Glockenturm war dabei der Dom in Florenz. Im Jahr 1891 wurde das Gotteshaus geweiht. Sie ist ausgestattet mit der „Franz-Liszt-Gedächnisorgel“, die im Jahr 2011 eingeweiht wurde und von der Franz-Liszt-Musikhochschule für Orgelkonzerte genutzt wird.
Sie ist die einzige katholische Kirche Weimars. Protestantische Kirchen gibt es dagegen mehrere. Als Symbol des orthodoxen Christentums in Weimar kann die Russisch-orthodoxe Kapelle für Anna Pawlowna (1795-1865) gelten, die ihr zu Ehren auf dem „Fürstenfriedhof“ erbaut wurde. Wer einen griechisch (-orthodoxen) Blick auf die Herz-Jesu-Kirche werfen möchte, dem sei die Strassenterrasse eines griechischen Restaurants in der Nähe empfohlen.
Wer dagegen islamisches Flair in Weimar sucht, der kann dies in den gut frequentierten Imbissstuben in der nahegelegenen Heinrich-Heine-Straße oder am Theaterplatz finden, wo man neben einem Döner auch so manch anderes türkisch-arabisches Gericht bekommen kann. Die Weimarer Moschee/das Haus des Orients ist dann schon etwas weiter entfernt und liegt oberhalb des Bahnhofes in der Rießnerstraße.
Jüdische Leben findet in Weimar sicht-, hör- und aktiv erlebbar alljährlich während des Jiddish-Summer-Weimar statt. Eine Synagoge gibt es hier nicht, aber im nahe gelegenen Erfurt. Doch erinnert der alte jüdische Friedhof in der Leibnizallee daran, dass es auch in Weimar einmal eine jüdische Gemeinde gegeben hat. Kulinarisch ist ein Israeli erfolgreich in Weimar aktiv, er betreibt seine Kuchenmanufaktur in unmittelbarer Nähe der Herz-Jesu-Kirche.
In der Folge des 30-jährigen Krieges setzte zum Glück eine Toleranz zwischen den Religionen ein und insbesondere Thüringen tat sich hervor mit recht liberalen Regenten und Verfassungen, was unter anderem dazu führte, dass die Adelskinder aus der Region zu begehrten Ehepartnern anderer europäischer Nationen wurden, allen voran Prinz Albert von Sachsen-Coburg und Gotha, dem Gemahl von Viktoria, der Königin des Vereinigten Königreiches von Großbritannien und Irland sowie Kaiserin von Indien. Auch hatte die liberale Ausprägung des Landes einen befruchtenden Einfluss auf die Entwicklung von Handwerk und Industrie. Genannt seien in diesem Zusammenhang Johann Nikolaus Dreyse, einem einfachen Handwerker aus Sömmerda, der später geadelt wurde und der das Zündnadelgewehr entwickelte, das den Weg vom Vorderlader- zum Hinterlader-Gewehr ebnete, einer Erfindung, die wesentlich zum Erfolg der Preußen in der Schlacht von Königgrätz 1866 und den sogenannten Deutschen Einigungskriegen von 1864, 1866 und 1870/71 beigetragen hatte. Sie führten zur Gründung des Deutschen Reiches im Jahr 1871, das unter der Führung Preußen stand. Es sei an dieser Stelle kurz erwähnt, dass Hartmut Sieckmann, Spitzenkandidat der FDP bei der Landtagswahl 1990 (siehe Artikel „Wie alles begann„) und Beisitzer im Kreisverband Weimar, ein Urur…-Enkel von Johann Nikolaus von Dreyse ist.
Sömmerda war damals preußisch und Dreyse baute hier eine erfolgreiche Produktionsstätte für Waffen auf, die von seinen Söhnen weitergeführt wurden. Einer der Lehrlinge/Praktikanten bei ihnen war Heinrich Ehrhardt aus Zella St. Blasius, dem heutigen Zella-Mehlis. Er gründete nicht nur die Fahrzeugfabrik Eisenach, wo er den ersten Wartburg, benannt nach der nahe gelegenen Burg, in der Luther seine Bibel übersetzte, bauen lies, sondern mit Rheinmetall über viele Jahre einen der immer noch wichtigsten deutschen Rüstungs- und Autozulieferbetriebe vorstand. Erwähnenswert ist auch, dass die Autoherstellung von BMW auf die Fahrzeugproduktion in Eisenach zurückgeht. Das VEB Automobilwerk Eisenach wurde später von Opel übernommen und gehört mittlerweile zur französischen Gruppe PSA (Peugeot Société Anonyme).
Ein spannendes, da nicht unmittelbar sichtbares Thema ist die Verbindung von Politik und Konfession. Trotz der erwähnten protestantischen Dominanz in Thüringen wurde die Landespolitik viele Jahre von katholischen Landesvätern bestimmt. Dr. Bernhard Vogel (CDU) war und ist aktiver Katholik. Es mag für die Stadt Jena in dieser Zeit ein Vorteil gewesen sein, dass auch deren Oberbürgermeister Dr. Peter Röhlinger (FDP) katholischen Glaubens ist. Dagegen hatte es die Stadt Gera nicht nur schwer durch den Wegfall seiner wichtigsten Industrie in der Region, dem Uranbergbau/der Wismut. Die Stadt wies aufgrund der DDR-Zeit eine stärker sozialistisch-atheistisch geprägte politische Vergangenheit auf, die besonders deutlich in dem Kultur- und Kongresszentrum im Stadtzentrum, quasi dem Geraer Palast der Republik, zum Ausdruck kommt. Auch nach der Wende blieb Gera eine Hochburg der PDS/Linken, was die Bereitschaft der Landesregierung, Gelder zur Verfügung zu stellen, nicht unbedingt befördert haben dürfte.
Besonders sichtbar wurde die Verbindung von Politik und Religion bei seinem Nachfolger Dieter Althaus, als dieser im September 2011 Papst Benedikt XVI. („Wir sind Papst“) nach Thüringen einlud und dieser nicht nur der Landeshauptstadt Erfurt sondern auch dem katholisch geprägten Thüringer Eichsfeld seine Aufwartung machte. Nun, diese Periode ist mittlerweile vorbei. Benedikt XVI. dankte im Februar des Jahres 2013 ab und hat damit quasi seine eigene kleine Reformation der katholischen Kirche betrieben. Denn die meisten Päpste vor ihm sind im Amt gestorben, das war sozusagen eine katholische Doktrin. Das Amt des Papstes ist eines der wenigen, auf die man auf Lebenszeit berufen wird. Doch damit ist es seit Benedikt XVI. womöglich vorbei. Es folgte eine andere, unappetitlichere Periode, die mit dem Aufdecken von Kindesmissbrauchsfällen in der katholischen Kirche verknüpft ist.
Nach Althaus übernahm die evangelische Pastorin Christine Lieberknecht (CDU) die Leitung der Thüringer Staatskanzlei. Ihr folgte Bodo Ramelow von der Linken, der seine evangelische Prägung, die sich bis zu der traditionsreichen lutherischen Familie Fresenius zurückverfolgen lässt, nicht leugnet, sondern sie im Gegenteil bei geeigneter Gelegenheit durchblitzen lässt.
Mit dem Ministerpräsident Thomas Kemmerich übernahm wieder kurze Zeit ein Katholik das höchste Landesamt, in das er sich mit Hilfe der CDU- und AfD-Abgeordneten hatte wählen lassen, obgleich er zuvor eine „Brandmauer“ zwischen sich und der letztgenannten Partei errichtet und öffentlich gelobt hatte, niemals mit dieser Partei zusammen arbeiten zu wollen. Dieser „Thüringer Zwergenaufstand“ dauerte 3(0) Tage und war damit rasch beendet. Der Blick in die Vergangenheit mag aufzeigen, dass ein liberales Thüringen es besser machen kann.
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