Zur Geschichte der FDP in Weimar und im Bundesland Thüringen

Die Geschichte des FDP-Kreisverbands Weimar ist eng mit derjenigen der Landes-FDP verknüpft und kann nur nachvollzogen werden unter Berücksichtigung und Kenntnis der politischen Ereignisse vor und nach der friedlichen (Ost)deutschen Revolution des Jahres 1989.

Nach dem Fall der Mauer am 09. November 1989 entfaltete sich schon bald der politische Gestaltungswille der liberalen Kräfte in der DDR. Er war einerseits getragen durch Partei-Neugründungen unter der Bezeichnung (Ost-) F.D.P. und Deutsche Forumpartei (DFP) und andererseits durch die Neuausrichtung ehemaliger Blockparteien, speziell der Liberal-demokratischen Partei Deutschlands (LDPD) und der National-demokratische Partei Deutschlands (NDPD).

Startpunkt der Landes-(Ost)-F.D.P. in Thüringen war ein Treffen am Samstag, dem 20. Januar 1990 in Jena, bei dem 10 Personen den Entschluss zur Gründung einer neuen liberalen Partei im Lande fassten und umsetzten. Zu Ihnen gehörten Volker Deppmeyer, Achim Häßler, Dr. Gert Meißner, Eckhard Probandt, Hartmut Sieckmann und 5 weitere Personen. Die Bundes-F.D.P. hatte Ihren damaligen Bundesgeschäftsführer Rolf Berndt entsandt. Der Diplom-Ingenieur Hartmut Sieckmann aus Weimar wurde zum Vorsitzenden gewählt, Eckard Probandt sein Stellvertreter. Durch einen kleinen Zeitungsartikel über dieses Ereignis stieß auch bald die Rechtsanwältin Maria-Elisabeth Grosse zu dieser Gruppe. In Weimar wurde ein Büro am Goetheplatz 9a bezogen und es erfolgte von hier und Jena aus der Aufbau der Landes-F.D.P.

Am 4. Februar 1990 fand die Gründungsversammlung der F.D.P. der DDR statt, Hartmut Sieckmann wurde Mitglied im 18-köpfigen Länderrat. Dessen Mitglieder rekrutierten sich aus den Bezirken der DDR: Erfurt, Suhl, Gera in Thüringen sowie (Ost-) Berlin, Cottbus, Dresden, Frankfurt (Oder), Halle, Karl-Marx-Stadt, Leipzig, Magdeburg, Neubrandenburg, Potsdam, Rostock und Schwerin. Auf dem ersten Landesparteitag der Thüringer F.D.P. am 22. April wurde Sieckmann zum Landesvorsitzenden gewählt.

Maßgebliche Personen aus den Reihen der LDPD und NDPD waren Dr. Andreas Kniepert und Dr. Jürgen Bohn. Die Blockparteien verfügten dabei initial nicht nur über mehr Mitglieder, sondern auch über funktionierende Parteistrukturen einschließlich einer Geschäftsstelle, Immobilien, Ferienanlagen und Zeitungen. Dabei gehörte die Thüringer Landeszeitung (TLZ) der LDPD, „Das Volk“ war die Zeitung der SED, die Thüringer Neuesten Nachrichten (TTN) diejenige der NDPD und das Thüringer Tageblatt die der CDU. Von diesen Zeitungen existiert mit gleichem Namen noch die TLZ, aus „Das Volk“ wurde die Thüringer Allgemeine, die zusammen mit der TLZ und Ostthüringer Zeitung  mittlerweile zur Funke Mediengruppe gehören. Demgegenüber mussten Ost-F.D.P. und Forumpartei ihre Strukturen erst aufbauen, alle Mitglieder der neuen Parteien arbeiteten ehrenamtlich.

Unterstützung kam in dieser Zeit unter anderem aus den F.D.P.-Landesverbänden Hessen und Rheinland-Pfalz und für Weimar aus der Partnerstadt Trier. Die dortigen Jungliberalen spendeten einen gelben VW Käfer mit blauen Punkten, der als erstes Partei-Vehikel für Werbezwecke und den Wahlkampf genutzt wurde. Daneben gab es als Transportvehikel ein ausgemustertes Polizeifahrzeug mit funktionierender Lautsprecheranlage. Damit machte Hartmut Sieckmann Wahlkampf im Thüringer Wald zusammen mit Dr. Hermann Otto Solms. Weitere Parteigrößen wie Hans-Dietrich Genscher, Otto Graf Lambsdorff und Rainer Brüderle kamen persönlich nach Weimar wie auch Dr. Wolfgang Gerhardt, der damalige Landesvorsitzender der F.D.P., Minister für Wissenschaft und Kultur und stellvertretender Ministerpräsident in Hessen sowie späterer F.D.P.-Bundesvorsitzende (1995-2001). Er war es auch, der die Liberalen aus Thüringen nach Bad Hersfeld einlud und sich maßgeblich dafür einsetzte, dass sich die liberalen Ost-Parteien vereinigten, was dann in Thüringen früher als in allen anderen östlichen Ländern geschah.

Eine erste Zusammenarbeit der liberalen Parteien in Ostdeutschland erfolgte im Rahmen der Volkskammerwahl der DDR am 18. März 1990. Es kam es zur Bildung des Bundes Freier Demokraten (BFD) aus LDP/LDPD, NDPD, der Deutschen Forumpartei (DFP) und der F.D.P. der DDR mit dem Ziel eine gemeinsame Wahlliste zu erstellen. Diese erzielte 5,3% der Wählerstimmen und 21 Parlamentssitze. Liberale Volkskammer-Vertreter aus Thüringen wurden Dr. Jürgen Bohn (Suhl), Helmut Krause (Erfurt) und Dr. Gert Meißner (Gera).

Am 27. März 1990 fusionierten die LDPD/LPD mit der NDPD zum Bund Freier Demokraten (BfD) und gaben dabei ihren alten Namen auf. Der formelle Vereinigungsparteitag der liberalen Parteien in Thüringen fand am 28. Juli in Weimar statt. Der BfD erhielt 40 Delegierte, die auch alle erschienen waren. Die F.D.P. entsandte ebenso wie die Forumpartei je 20 Delegierte, von denen auf Seiten der F.D.P. nur ca. 15 kamen, von der Forumpartei noch weniger. Insofern war es verständlich, dass Dr. Andreas Kniepert die meisten Stimmen auf sich vereinigen konnte und zum Landesvorsitzenden gewählt wurde. Dafür wurde Hartmut Sieckmann Spitzenkandidat für die Landtagswahl am 14. Oktober.

So konnte Thüringen auf dem Sonderparteitag der Ost-F.D.P. am 4. August 1990 in Potsdam bereits vereint auftreten. Es wurden dort die Delegierten für den Vereinigungsparteitag mit der West-F.D.P.  bestimmt, der eine Woche später am 11. August in Hannover stattfand. Hier schlossen sich BFD, DFP, F.D.P. der DDR mit den West-Liberalen zur gesamtdeutschen F.D.P. zusammen. Und es ging Schlag auf Schlag weiter. In dem Einigungsvertrag vom 31. August, dem die Volkskammer am 20. September zustimmte, wurde der Beitritt der DDR zur Bundesrepublik Deutschland zum 3. Oktober 1990 beschlossen. Vorausgegangen war der Staatsvertrag über die Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion, der am 1. Juli in Kraft trat. Die ersten Landtagswahlen in Thüringen und allen anderen neuen Bundesländern fanden am 14. Oktober 1990 statt.

Diese Wahlen verliefen für die F.D.P. erfolgreich. In allen Landesparlamenten war sie vertreten, der höchste Stimmenanteil wurde in Sachsen-Anhalt mit 13,5% erzielt gefolgt von Thüringen mit 9,3%. Mit ihrem Spitzenkandidaten Sieckmann errang die F.D.P. 9 Parlamentssitze. Fraktionsführer der F.D.P. wurde Dr. Andreas Kniepert, die weiteren F.D.P.-Abgeordneten waren Peter Backhaus, Dr. Jürgen Bohn, Dr. Ulrich Fickel, Maria-Elisabeth Grosse, Achim Häßler, Olaf Stepputat und Annett Stiebritz. In der Koalitionsregierung mit der CDU wurden folgende F.D.P.-Mitglieder zu Ministern: Dr. Ulrich Fickel (Minister für Wissenschaft und Kultur und gleichzeitig Stellvertreter des Ministerpräsidenten), Hartmut Sieckmann (Minister für Umwelt und Landesplanung), Hans-Jürgen Schultz (bis 1.11.1991) und Dr. Jürgen Bohn (ab 07.11.1991, Minister für Wirtschaft und Technik). Erster Ministerpräsident war Josef Duchač, dem ab Februar 1992 Dr. Bernhard Vogel nachfolgte, der bis zum Jahr 2003 als Ministerpräsident im Amt blieb, während die F.D.P. bereits im Jahr 1994 den Landtag wieder verlassen musste.

Dies kam für die Landespartei ebenso wie für Ihre Abgeordneten und Minister überraschend, denn sie hatten eine solide und anerkannt gute Arbeit in Regierung und Parlament geleistet. Auslöser der Entwicklung war eine Formulierung in einem F.D.P.-Programmentwurf zur Bundestagswahl 1994, die auf eine frühere Aussage von Rudolf Scharping (SPD) zurückgehen soll: „Wir sind die Partei der Besserverdiener, weil wir wollen, dass alle besser verdienen.“ In den Medien und vom politischen Gegner wurde sie verkürzt zu der Aussage „Die F.D.P ist die Partei der Besserverdiener.“ Dieses Attribut hängt der FDP noch heute an. Und man muss diese Aussage im Nachhinein als instinktlos und eine politische Dummheit ersten Ranges bezeichnen. Der Osten der Republik war damals noch mitten im Strukturwandel (Treuhand etc.), die Menschen bangten um ihren Arbeitsplatz und waren geprägt durch die in der DDR beschworene Solidarität. „Besserverdiener“ gab es im Osten so gut wie nicht. Insofern war verständlich, dass sich die große Mehrheit der Ostendeutschen von der F.D.P. abwandte. Der damalige Generalsekretär der F.D.P., Dr. Werner Hoyer, wurde von dem 32-jährigen Dr. jur. Guido Westerwelle ersetzt. Die Konsequenzen waren für die Liberalen im Osten desaströs. Bei den Landtagswahlen 1994 konnten sie in keine Länderkammer mehr einziehen.

Erst im Jahr 2009 gelang unter dem Landesvorsitzenden Uwe Barth und seinem Generalsekretär Patrick Kurth mit 7,6 % der Stimmen für 4 Jahre der Wiedereinzug in den Thüringer Landtag. Im gleichen Jahr war die FDP auch in Brandenburg wieder in den Landtag eingezogen. In Sachsen-Anhalt gelang dies bereits im Jahr 2002 gefolgt von Sachsen 2004 und Mecklenburg-Vorpommern 2006. Doch war diese Entwicklung nicht von Dauer, wobei erneut bundespolitische Entwicklungen eine Rolle spielten.

Guido Westerwelle übernahm 2001 den Bundesvorsitz von Wolfgang Gerhardt, es verschwanden die drei Punkte im Logo der  FDP und die Partei entwickelte sich zu einer Spaßpartei, was etwa in dem Besuch Westerwelles im „Big-Brother“ Haus und dem „Guidomobil“ zum Ausdruck kam. Der Erfolg des als „Projekt 18“ bezeichneten Vorhabens, bei dem die FDP mit Guido Westerwelle erstmals einen Kandidaten für das Bundeskanzleramt nominierte und 18 % der Wählerstimmen zu erreichen suchte, war gemessen an dem Ergebnis, dem Anstieg der Wählerstimmen von 6,2% auf 7,4%, dürftig.

Es war vor allem die Rolle als Oppositionspartei unter einer großen Koalition aus CDU und SPD in den Jahren 2005 bis 2009, die der FDP wieder steigenden Wählerzuspruch bescherte, der in dem fulminanten Ergebnis der Bundestagswahl 2009 mündete, bei der die FDP mit 14,6 % ihr bisher bestes Ergebnis bei einer Bundestagswahl erzielte und Junior-Partner der CDU in der Legislaturperiode 2009-2013 wurde. Doch dann implodierte die Bundes-FDP geradezu. Ihr Image, eine Klientelpartei zu sein, bediente sie mit steuerlichen Vergünstigungen für Hoteliers. Und Westerwelle, der nie zuvor ein Landesministerium geführt hatte, versagte kläglich bei Leitung des Außenministeriums, zumindest erlangte er nie das Renommee der FDP-Außenminister Hans-Dietrich Genscher und Klaus Kinkel und musste im Jahr 2011 den Parteivorsitz abgeben. Doch auch die übrige Riege der westdeutschen FDP-Politiker konnte die Wähler nicht von sich überzeugen, was den Wiedereinzug in den Bundestag im Jahr 2013 verhinderte. Zu diesem Zeitpunkt bzw. kurz danach flog die FDP auch aus allen ostdeutschen Landesparlamenten wieder hinaus.

Ihr Fortbestehen im Land verdankte sie vor allem erfolgreichen Kommunalpolitikern. In Thüringen war das allen voran Dr. Peter Röhlinger, der als Oberbürgermeister von Jena in den Jahren 1990 bis 2006 segensreich für die Stadt wirkte und erfolgreich eine Transformation vollzog, bei der etwa das Carl-Zeiss-Kombinat in die Unternehmen Carl Zeiss Jena GmbH, Jenoptik GmbH und die Schott AG überführt wurden und sich Jena wieder zu einem bedeutenden Universitäts- und Wissenschaftsstandort in Deutschland entwickelte.

Der erneute Einzug in das Thüringer Landesparlament gelang erst im Oktober 2019 unter dem Landesvorsitzenden Thomas Kemmerich, die FDP erreichte 5,0 % der Stimmen, nachdem sie in Sachsen-Anhalt im Jahr 2016 den Einzug in den Landtag mit 4,9% knapp verpasst hatte. Kemmerich machte sich selbst und die Landespartei bundesweit bekannt durch die Umstände und Annahme seiner Wahl zum Ministerpräsidenten am 5. Februar 2020, dem 3 Tage später die Ankündigung seines Rücktrittes folgte. Seine Amtszeit währte bis zu der Wiederwahl von Bodo Ramelow (die Linke) als Ministerpräsident am 4. März 2020.

Die Vorgänge um den 5. Februar 2020 haben nicht nur im Bund und der Bundes-FDP sondern auch im Landesverband zu erheblichen Verwerfungen geführt. Maria-Elisabeth Grosse trat wie viele weitere Mitglieder des Kreisverbands Weimar aus Protest aus der FDP aus. Ebenso erklärte Marc Frings, der stellvertretende Vorsitzende des Kreisverbands Erfurt, seinen Rücktritt und distanzierte sich damit deutlich von seinem Kreis- und Landesvorsitzenden. Der Weimarer FDP-Vorsitzende Hagen Hultzsch erklärte sich bereit, für den Landesvorsitz der FDP Thüringen zu kandidieren. Sein Kreisverband hat ihn danach einstimmig wieder zu seinem Vorsitzenden gewählt.

Die Vorsitzenden des Kreisverbands Weimar seit der Wiedervereinigung waren bzw. sind

 

Autor: Iver Petersen, Schatzmeister des FDP-Kreisverbands Weimar,

erstellt mit Unterstützung von Maria-Elisabeth Grosse und Hartmut Sieckmann

16.02.2021

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